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Der Trostspender: „i/o“ von Peter Gabriel

Peter Gabriel
Peter Gabriel (Foto: Nadav Kander)

Nach mehr als 20 Jahren Plattenpause kehrt Peter Gabriel zurück – um dem Tod seinen Mittelfinger zu zeigen.

„Du hast mich gewärmt wie die Sonne“, singt Peter Gabriel in dem von Trauer durchzogenen und doch so erhaben trotzig das Leben feiernden Stück „And still“, dem vorletzten seines neuen Albums. „Der Song ist eine liebevolle Widmung an meine Mutter, die vor kurzem verstorben ist“, so Gabriel. „Sie hat klassische Musik geliebt, und so habe ich extra für sie den Cello-Teil eingefügt. Ich denke, sie wäre ganz zufrieden mit dem Lied.“ Das Leben und der Tod, die eigene Sterblichkeit wie auch die Vergänglichkeit der nächsten Mitmenschen, Verbundenheit, Geborgenheit, Heimat, Freude und Hoffnung – das sind die mächtigen Themen, auf die sich der Jahrhundertkünstler – selbst auch schon 73 – mit „i/o“ eingelassen hat.

„i/o“ von Peter Gabriel: Ein Mittelfinger an den Tod

An jedem Vollmondtag des Jahres hat der Engländer, der ursprünglich bei Genesis gesungen und ab Mitte der Siebziger eine unvergleichliche Karriere als Solomusiker („Solesbury Hill“, „Sledgehammer“) begonnen hat, vorab eines der Lieder veröffentlicht. Mit dem voller Aufbruchshoffnung und trotziger Positivhaltung brillierenden „Live and let live“ ist der Zyklus nun vollständig. Gabriel, der einst in „Biko“ den südafrikanischen Bürgerrechtler Steve Biko besungen hat, verbeugt sich in dem groovenden Song vor Persönlichkeiten wie Nelson Mandela und Desmond Tutu, die die Welt zum Besseren verändert haben, und der Soweto Gospel Choir sorgt zusammen mit dem New Blood Orchestra dafür, dass sich die Nummer langsam gen Himmel erhebt.

Peter Gabriel selbst ist die Arbeit an diesem Album nicht eben überstürzt angegangen. 21 Jahre liegen zwischen „i/o“ und seiner letzten regulären Studioveröffentlichung „Up“: Er habe um die hundert Songs geschrieben, einige Konzepte ent- und wieder verworfen, und sich so sich allmählich dem angenähert, was er in seinem Spätwerk sagen wollte. „Ich möchte dem Tod den Mittelfinger entgegenstrecken“, bringt er seine Botschaft auf den Punkt. Schließlich habe er noch so viel zu geben, singt Gabriel, assistiert von seiner Tochter Melanie, im rührenden „So Much“. Andere Songs heißen „Road to Joy“ und „ Love can heal“ und haben eine ähnlich wohlige Wirkung aufs Gemüt wie eine Tasse heißer Kakao nach dem Spätherbstspaziergang.

Dass Peter Gabriel wie kaum jemand sonst mit seinem Schaffen Trost zu spenden vermag, durften jüngst auch die Trauergäste auf der Beerdigung des Schauspielers Matthew Perry erfahren. Gegen Ende der Zeremonie erklang sein einzigartig schönes Kopf-oben-halten-Duett mit Kate Bush aus dem Jahr 1996: „Don’t give up“.

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