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Die besten Bücher 2020: Fünf Empfehlungen für den Juni

Die besten Bücher im Juni 2020

Neuerscheinungen von Irvine Welsh, Patti Smith und Hubert Achleitner: Wir haben die besten Bücher aus dem Juni 2020 zusammengestellt.

Auch der Juni ließ keine große Literatur vermissen, stattdessen können mal wieder einige der Neuerscheinungen ins Rennen um die besten Bücher des Jahres 2020 einsteigen. Dabei dreht sich anscheinend alles um den Blick zurück – und um Abschied. Irvine Welsh liefert mit „Die Hosen der Toten“ den Abschluss der „Trainspotting“-Reihe, Patti Smith rekapituliert ihr Jahr 2016 und Amanda Lasker-Berlin geht mit ihrem Debütroman der Vergangenheit dreier stark gezeichneter Figuren auf den Grund. Unsere Bücher des Monats.

 

5. Irvine Welsh: Die Hosen der Toten

cover „Die Hosen der Toten“ von Irvine WelshIm finalen Roman seiner „Trainspotting“-Reihe erzählt Irvine Welsh multiperspektivisch den Alltag der Protagonisten Mark, Begbie, Spud und Sick Boy, deren Leben kaum unterschiedlicher sein könnten.

Doch die oberflächlich erfolgreichen Karrieren von Mark (DJ-Business), Begbie (Kunst) und Sick Boy (Escortservice) können nicht die emotionale Leere auffangen, denen sich jeder von ihnen ausgesetzt sieht. Als Begbie seine Jungs für ein Kunstwerk zusammenbringen will, scheitert ein harmonisches Wiedersehen nicht an dem mittlerweile obdachlosen und unfreiwilligen Organhändler Spud, sondern an den Eitelkeiten der „Leith Boys“.

Ähnlich wie die zwischen Riesenego und Verletzlichkeit wandelnden Charaktere schwankt Irvine Welshs Erzähltechnik zwischen zwei Extremen: zum einen garantieren sein Gespür für Figurensprache und Situationskomik herzhafte Lacher, zum anderen nervt das tausendste „verfickt“, das in nahezu jeder der verschiedenen Ich-Perspektiven Usus ist. Dennoch gelingt es Welsh mit unerwarteten und grotesken Wendungen, die Story solange am Leben zu halten, bis das Finale nach einem interdisziplinären Marathon aus Drogen, Sex und schottischen Pokalspielen zeigt, was einen aus diesem Sumpf wieder herausziehen kann.

Heyne Hardcore, 2020

480 s., 22 Euro

Aus d. Engl. v. Stephan Glietsch

Patti Smith Im Jahr des Affen Cover4. Patti Smith: Im Jahr des Affen

Ein Buch, das den Blick auf das Jahr wirft, in dem unter anderem Donald Trump zum US-amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, „Im Jahr des Affen“ zu nennen, ist zunächst erst einmal grenzwertig. Doch Patti Smith nimmt sich das chinesische Sternzeichen des Jahres 2016 nicht für einen hohlen Polit-Kalauer. Ihre dezente Retrospektive lässt vielmehr den Verdacht aufkommen, dass sie sich dieser Möglichkeit gar nicht bewusst war.

Stattdessen webt sie geschickt verschiedene Bedeutungsebenen ineinander. Es geht ums Altern – am Ende des Jahres steht ihr 70. Geburtstag –, politische Unruhe – ja, der Wahlsieg, aber eben auch die Miniatur-Umwelt-Katastrophe unzähliger Bonbonpapiere an einem Kalifornischen Strand – und ums Abschiednehmen. Denn 2016 ist auch das Jahr, in dem zwei für Smith wichtige Menschen das Leben der Musikerin, Schriftstellerin und Fotografin für immer verlassen.

Zwischen die Geschehnisse der Gegenwart stellt Smith Träume und Erinnerungen, und es ist sowohl ihr großer Verdienst als Schriftstellerin wie auch das einzige ernsthafte Manko von „Im Jahr des Affen“, dass ihre Leser*innen genauso leicht durch diese Gedankengänge zu schlendern vermögen, wie Smith es selber tut – und wieder hinaus.

Kiepenheuer & Witsch, 2020

208 S., 20 Euro

Aus d. Engl. v. Brigitte Jakobeit

Téa Obreht herzland cover die besten bücher im Juni 2020 platz 33. Téa Obreht: Herzland

Die 35-jährige Obreht, geboren in Belgrad, aufgewachsen in den USA, entlockte der internationalen Literaturkritik bereits mit ihrem Debüt „Die Tigerfrau“ (2011) den ein oder anderen Jubelschrei. Mit „Herzland“ legt sie jetzt nach, und das Warten hat sich gelohnt: Gekonnt haucht sie dem Western-Genre neues Leben ein, wobei ihre ungewöhnlichen Hauptfiguren sie vor Schablonenhaftigkeit bewahren.

Statt Macho-Cowboys und Klischee-Indianer*innen präsentiert sie zwei komplexe Persönlichkeiten samt spannender Nebenfiguren, statt romantischer Sonnenuntergänge schildert sie die ebenso lebensfeindliche wie wunderschöne Landschaft mit großer Klarheit. Und selbst die vielen Geister und Dämonen, die durch die Geschichte wabern, haben etwas präzises, bodenständiges. „Herzland“ ist zugleich Western, Fantasy-, Liebes- und Abenteuerroman, es flimmert und flirrt von der ersten bis zur letzten Seite.

Rowohlt Berlin, 2020

512 S., 24 Euro

Aus d. Engl. v. Bernhard Robben

Hubert achleitner flüchtig cover2. Hubert Achleitner: flüchtig

Beziehungsstatus: kompliziert. Als Hubert von Goisern bringt er auch in diesem Sommer ein neues Album raus – und als Hubert Achleitner einen Roman über das Verschwinden einer Frau. Eva Maria Magdalena, kurz Maria genannt, haut ab. Zurück bleibt Wig, ihr Mann, dessen Volvo sie mitnimmt sowie das meiste des gemeinsamen Geldes.

Was sich wie eine fiese Trennung anhört, ist hochkomplex. Hubert Achleitner zeigt uns in seinem Romandebüt eine starke Frau und ihr Hinausgleiten aus einer Beziehung, die vor 30 Jahren so hoffnungsvoll begann.

Lest hier das ausführliche Interview mit Hubert Achleitner zu „flüchtig“.

Zsolnay, 2020

304 S., 23 Euro

Amanda Lasker-Berlin Elijas Lied Cover Platz 1 unserer Liste der besten Bücher im Juni 20201. Amanda Lasker-Berlin: Elijas Lied

Debütromane sind gern sanft und ungern mutig. Amanda Lasker-Berlin ist mit „Elijas Lied“ den entgegengesetzten Weg gegangen. Ausgerechnet die in die rechte Szene abgerutschte Loth hat die Idee, einen Moorspaziergang aus ihrer Jugend zu wiederholen: Können Loth, Noa und Elija sich noch mal für einen Tag nah sein, nachdem ganz unterschiedliche Weltanschauungen sie in den letzten Jahren entzweit haben?

Mit ihrem Debütroman entwirft Amanda Lasker-Berlin ein eindringliches Kammerspiel, das um hochaktuelle gesellschaftliche Themen kreist. „Der große Reiz von Literatur ist doch aber gerade, dass man neue Lebenswirklichkeiten kennen lernen kann – und da muss man dann einfach auch mal ein bisschen was wagen,“ sagt Lasker-Berlin im Interview mit kulturnews. „Sonst weiß man ja hinterher kaum mehr als vorher.“

Frankfurter Verlagsanstalt, 2020

256 S., 22 Euro

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