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Hallo Wach

Sister Bliss von Faithless
(Foto: Blue Laybourne)

Nach zehn Jahren kehren Faithless mit ihrem neuen Studioalbum „All blessed“ zurück. Denn schlaflose Nächte haben sie auch ohne Partys im Klub.

Sister Bliss, in eurem neuen Song „Synthesizer“ behauptet ihr, elektronische Musik habe keine Seele. Ist das euer Ernst?

Sister Bliss: Nein, das ist unser Humor. (lacht) Soul und Wärme sind ganz maßgebliche Bestandteile unseres Schaffens. Als Kind bin ich mit meinem Walkman der Musik von Kraftwerk, New Order und The Human League emotional ganz nah gekommen. Musik unterwegs auf Kassetten zu hören, war damals eine ganz neue Erfindung und mein persönliches Erweckungserlebnis. Synthesizer-Sounds kamen aus der Zukunft. Sie können kühl klingen, aber in ihrem Inneren pocht ein warmes Herz.

Ihr hattet 2011 ursprünglich entschieden, euch von Faithless zurückzuziehen. Was hat das Herz wieder zum Schlagen gebracht?

Sister Bliss: Unser 2015 erschienenes Remixalbum „Faithless 2.0“, dessen Konzept mir damals in der Badewanne eingefallen ist und auf dem uns großartige Künstler wie Avicii, Tiësto und Armin van Buuren durch ihre Arbeit neu belebten. Ihre Versionen unserer Stücke wie „Insomnia“ und „We come 1“ erreichten eine ganz neue Generation von Dance-Music-Fans. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass ich persönlich nie abtreten wollte. Ich will auf der Bühne stehen und Musik machen, bis ich aufhöre zu atmen.

Um einen eurer größten Hits zu zitieren: „God is a DJ.“

Sister Bliss: (lacht) Voll und ganz. Wenn ich auf der Bühne eines Festivals vor bis zu 100 000 Leuten meine Musik spiele, vergesse ich alles um mich herum und komme in einen einzigartigen Flow. Das Leben besteht aus einer Million ablenkender Dinge, aber in diesen anderthalb, zwei Stunden verliere ich mich zu hundert Prozent in dieser einen Sache.

Der Kern von Faithless bestand neben dir als Komponistin aus dem Produzenten und Dido-Bruder Rollo sowie dem Rapper und Lyriker Maxi Jazz, der auf „All blessed“ nicht mehr dabei ist. Wie schwer wiegt der Verlust von Maxi?

Sister Bliss: Maxi wollte neue Wege gehen und war der Ansicht, mit Faithless alles gesagt zu haben. Wir respektieren das. Zugleich ist Maxi natürlich auch auf dem neuen Album allgegenwärtig. Ich habe 20 Jahre mit diesem Mann im Tourbus und im Studio verbracht. Uns haben seine buddhistische Weltsicht, seine feinsinnige Art und seine bedingungslose Mitmenschlichkeit tief geprägt. Die neuen Vokalist*innen wie Suli Breaks und Nathan Ball kommen wie Maxi eher aus der Welt der Poesie als vom Rap. Ich bin stolz, mit solch emotionalen, lyrischen Menschen zusammenzuarbeiten.

Das Foto auf dem Albumcover zeigt ein Migrantenboot auf ruhiger See, dahinter die rote Sonne. Was ist die Botschaft dieses Bildes?

Sister Bliss: Musik bedeutet zum einen Eskapismus und die Chance, sich weit weg zu träumen. Für uns ist sie jedoch auch ein Mittel, um Position zu beziehen. Wir Menschen dürfen es nicht zulassen, dass wir diesen wundervollen Planeten zerstören. Und wie wollen wir ohne Empathie noch jemals anderen Menschen in die Augen sehen können? Nicht erst seit Corona wissen wir, dass wir auf dieser Erde alle in einem Boot sitzen. Doch die Pandemie hat uns noch einmal mit Nachdruck bewiesen, wie zerbrechlich und prekär unser aller Leben ist.

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