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Gael Garcia Bernal

Gael García Bernal ist jung. Gael García Bernal ist seit „Amores Perros“ heiß. Gael García Bernal ist ein mexikanischer Katholik, der im neuen Almodóvar einen Transvestiten spielt. Ein Gespräch.

_ulysses: Gael, wie ist Ihr Verhältnis zur Religion?

Gael García Bernal: Na ja, Mexiko ist eines der wenigen Länder der Welt, in dem Staat und Kirche völlig getrennt sind und das schon seit dem 19. Jahrhundert. Die Kirche darf kein Eigentum haben, keinen politischen Einfluss, nichts. Die Politik wiederum hält sich völlig aus der Religion raus. Wenn ein Minister öffentlich etwas über eine religiöse Frage sagt, ist das das Schlimmste, was er tun kann. Nicht so wie in den USA, wo der Präsident sagt: Gott ist auf unserer Seite. Das wäre bei uns undenkbar. Religion ist bei uns eine kulturelle Institution und ein Feiertag in erster Linie willkommener Anlass, eine Party zu feiern. Ich würde sagen, ich bin kulturell katholisch, aber spirituell agnostisch.

_ulysses: War es ein Problem für Sie als Katholik, einen Homosexuellen darzustellen?

Bernal: Mit meiner Art von Katholizismus hat das nichts zu tun. Wie ich auch im Film sage: Ich bin Hedonist, ich feiere gerne, das ist meine Religion (lacht). Nein, ich habe keine Probleme mit Homosexualität, ich bin Schauspieler. Wenn ich damit Probleme hätte, wären die eher persönlicher, nicht religiöser Natur.

_ulysses: Aber einen Mann zu küssen, ging sicher nicht so einfach von der Hand … ?

Bernal: Es ist leichter, einen Mann zu küssen als auf Stilettos herumzulaufen, sich als Frau auszugeben und mit spanischem Akzent zu sprechen.

_ulysses: Ist der Film gegen die Kirche gerichtet?

Bernal: Der Film ist nicht antiklerikal. Meiner Meinung nach geht es um eines der schlimmsten Verbrechen, die man begehen kann: als Erwachsener seine Macht zu benutzen, um ein Kind zu missbrauchen. Ein Kind hat nie die Kraft eines Erwachsenen, weder physisch noch geistig. Das ist nicht schlimm oder eine Sünde im religiösen Sinne – das ist ein Verbrechen! Wenn die Kirche derartige Dinge zulässt, dann verhält sie sich selber antiklerikal.

_ulysses: Haben Sie sich in den letzten vier Jahren seit „Amores Perros“ stark verändert?

Bernal: Nein, ich wache jeden Morgen so auf, wie ich bin und denke nicht: Hey, ich bin ein großer Star! Ich versuche, das als Entwicklungsprozess in meinem Leben zu sehen, und diese Entwicklung führt mich an Plätze, die ich bisher noch nicht kannte. Außerdem hat das alles auch Nachteile: Wenn ich nicht soviel arbeiten würde, wäre ich nicht so häufig von meinen Hunden getrennt.

_ulysses: War es denn schwierig, in dem Fummel herumzulaufen, den Sie im Film tragen?

Bernal: Nein, es war sogar sehr befreiend. Man kann Sachen tun, die man sonst nie tun würde.

_ulysses: Zum Beispiel?

Bernal: Man kann sich in die Rolle einer Frau versetzen und spürt die Macht, die sie über Männer haben kann. Ich wurde in den Frauenkleidern völlig anders behandelt, obwohl alle wussten, dass ich ein Mann bin. Ein Mädchen kann die Männer doch zu allem bringen, was es möchte, sie hat völlige Kontrolle über sie – wenn sie schlau ist. Es ist auch lustig und befreiend, die Frau in sich zu entdecken. In Brasilien veranstalten sie sogar ein Fußballturnier, bei dem sich alle Mannschaften als Frauen verkleiden. Dieses Transsexuelle hat etwas ziemlich Anarchisches.

Interview: Andreas Pflieger

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