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Gary

Die Ruhe nach dem Sturm

Robert Stadlober besucht die_ulysses-Redaktion, samt seiner Band Gary. Will der Jungschauspieler aus „Crazy“ und „Engel & Joe“ etwa seinen Ruhm nutzen, um mit zweitklassiger Musik ein paar Euro dazu zu verdienen? Gary klingen doch sicher wie der vorprogrammierte Charterfolg – radiotauglich, hausfrauenfreundlich. Bestimmt. Oder?

„Hey, wir benehmen uns wieder wie 15jährige Mädchen auf Klassenfahrt!“ Robert Stadlober & Co. stürmen die Redaktionsräume. Zwar warten keine johlenden Mädchen vor der Tür, aber zusammen mit Schlagzeuger Rasmus Engler und Bassist Kai Gabriel sorgt er für ein vergleichbares Schalllevel. Ständig quasseln die drei durcheinander, klopfen Sprüche, beömmeln sich. Wie klassische Teenie-Stars sehen Gary trotzdem nicht aus. Jeans, Kapuzenpulli und zerzauste Haare sind bei Bravo und Viva nicht gefragt. Sowieso hat Robert Stadlober in der Presse das Image des bösen Buben. Der Punk aus seinen Filmen soll er auch privat sein, Trink- und Prügelgeschichten werden kolportiert. „Dieser Quatsch raubt mir meine Arbeitsgrundlage“, sprudelt er los. „Irgendwelche Regisseure lesen diese Artikel und besetzen mich dann nicht, weil sie denken, ich würde mich ständig prügeln.“ Er hebt die Arme. „Wie sollen diese Hände“, grinst er, „überhaupt jemanden verprügeln? Dazu bin ich viel zu unkoordiniert.“

Eine gewisse Unsicherheit ist dem schmächtigen Jungstar stets anzumerken. Nervös spielt er mit dem blonden Wuschelhaar, unruhig rutscht er auf dem Stuhl herum. Cool will er wirken, aber er ist halt ein 19-jähriger Junge. Vielleicht ist es diese Unsicherheit, die gerne mit Arroganz verwechselt wird.

Wenn in diesem Monat Garys Debüt-Album „The lonely Cnorve Machine“ in den Läden steht, wird manchem Teenie vor Schreck die Clerasil-Flasche aus der Hand rutschen. Während die seichte Vorab-Single noch auf eine falsche Fährte lockt, lässt das Trio auf dem Album die Gitarre knödeln und rockt los. „Meine größte Horrorvision“, sagt Robert und kuckt angewidert, „wäre es, wenn ich im Sommer ein Cabrio sehe, und der Fahrer hört ein Lied von uns.“

Tiefstapelei? Vielleicht unterschätzt er doch die Zugkraft seines Namens. „Nein, ich würde Luftsprünge machen, wenn wir 10 000 Platten verkauften.“ Sicher, den Massengeschmack trifft die Platte nicht. Kein Wunder, bei Vorbildern wie Lemonheads oder Guided By Voices. Plötzlich sind die drei nicht mehr zu bremsen und zählen alle Bands auf, die sie lieben. Bei Interviews Namedropping zu betreiben, hat ihnen allerdings auch schon Ärger eingebracht. „Ein Radiosender spielt uns nicht mehr“, grinst Rasmus, „weil wir bei einem Interview einfach nur noch Bands aufgezählt haben.“ Da sie fanatische Fans von Alternative-Bands sind, ist ihre Verärgerung über die ständigen Vergleiche mit der Teenrockband Echt nicht verwunderlich. „Die finden uns wohl ziemlich scheiße“, klärt Rasmus die Fronten, „und wir sind auch nicht gerade begeistert von denen. Wir wissen das voneinander. Aber unsere Erzfeinde sind sie nun auch nicht.“

Als letzter stieß Kai zur Band. Kurz vor den Aufnahmen fürs Album übernahm er den Job von David Winter, Roberts ehemals besten Freund. Nach einem Streit schmiss der TV-Seriendarsteller die Band. „Jetzt haben wir wenigstens einen, der Bass spielen kann“, kartet Stadlober bissig nach. „Mit Kai ist das Bandgefüge enger geworden; die Chemie ist wesentlich besser als vorher.“ Trotzdem haben Gary Angst vor dem Erwartungsdruck. Weil Robert kein Unbekannter ist, werden sie mehr Aufmerksamkeit bekommen. Und vielleicht sogar Aufgaben, die sie nicht bewältigen können. „Gary gehören einfach noch nicht auf Riesenfestivals“, gibt Kai zu bedenken. „Eigent-lich würden wir gern erst mal über die Dörfer touren, damit die Band zu einer kompakten Einheit wachsen kann.“

Doch die Probleme beginnen schon früher. Auch das entspannte Bier auf der Hamburger Piste, wo sie in einer Altbauwohnung eine WG gegründet haben, ist für die Jungs inzwischen fast unmöglich geworden. „Ständig nimmt sich jemand das Recht heraus, mich vollzu-texten, nur weil er meine Fresse kennt“, sagt Robert. „Oft höre ich dann, ich würde in der beschissensten Band überhaupt spielen. Reden wollen die aber trotzdem, also schei-nen sie mich doch zu mögen.“ Er lächelt verlegen, seine Hände wissen nicht wohin. „Na, das sind halt die harten Typen, die keine Zuneigung zeigen können.“

Kurze Zeit später ziehen Gary wieder ab – und Ruhe ein. Zurück bleibt ein Bekehrter, den die drei Chaoten mit Begeisterung und Ehrlichkeit überzeugt haben. Vielleicht können sie weiter den ganzen Medienrummel belächeln und ihr Jungstum leben. Was war noch Roberts großer Wunsch, den er beim Abschied geäußert hat? „Wenn wir schon die Plattenfirma mit Britney Spears teilen“, hat er geschmachtet, „dann will ich möglichst bald ein Autogramm von ihr.“ Und worauf – auf eine CD, einen Bierdeckel, ein T-Shirt, nackte Haut? Nein: In eine Bibel.

Carsten Schrader

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