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Linton Kwesi Johnson

Eine sonderbare Aura der Ruhe umgibt diesen Mann. Rastlos müßte er eigentlich sein, denn der Polit-Poet des Reggae Linton Kwesi Johnson haßt Zeitverschwendung. „More Time“ (WEA), seine aktuelle CD um den Wunsch nach mehr Zeit, läßt beruhigende Reggae-Klänge und ernste Pidgin-Verse mit Leichtigkeit ineinanderfließen.

Für das K!N-Interview nahm sich der 46jährige Wahl-Londoner etwas von dem flüchtigen Gut Zeit.

K!N: Mr. Johnson, auf „More Time“ scheinen Sie weniger politisch, weniger radikal als früher. Ist das Ihr Abschied vom Dasein des politischen Aktivisten?

LKJ: Nein, ich bin ja über meine politischen Aktivitäten zu Dichtung und Musik gekommen. Politik steht für mich immer noch im Mittelpunkt. Aber je älter ich werde, desto mehr möchte ich auch die inneren Landschaften von Geist und Seele erforschen. Insofern wirkt das Album vielleicht nachdenklicher und persönlicher, ist aber dennoch sehr politisch.

K!N: Warum sind Sie Künstler und nicht Politiker geworden?

LKJ: Jede Demokratie braucht außerparlamentarische Aktivität. Mir ist wichtig, Teil einer vom politischen Mainstream unabhängigen Stimme zu sein. Gefühle, Bedürfnisse und Probleme zu kommunizieren, derer sich keine der etablierten Parteien annimmt.

K!N: Wie beurteilen Sie die Zeit, in der wir Leben?

LKJ: Die Menschen sind verwirrt und verunsichert. Die alte Weltordnung existiert nicht mehr und eine neue hat sich noch nicht herauskristallisiert. Tribalismus und Fremdenfeindlichkeit sind noch immer allgegenwärtig. Neue Technologien versprechen uns ungeahnte Möglichkeiten der Kommunikation und des sozialen Lebens. Ich finde das sehr spannend.

K!N: Was versprechen Sie sich von der neuen Technikrevolution?

LKJ: Durch sie könnte ein bisher ungekannte Produktivitätssteigerung erreicht werden, die die Menschheit von den Fesseln der Arbeit befreien könnte. Die meisten kommen ja gar nicht dazu, ihr eigenes menschliches Potential jemals kennenzulernen, da sie den Reglementierungen der Arbeitswelt unterworfen sind. Aber es gibt kein Naturgesetz, das besagt, du mußt an fünf Tagen in der Woche je acht Stunden arbeiten.

Interview: Wolfgang Drewes

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