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Wie ein Traktor: Lizz Wright im Interview

Lizz Wright steht vor grauem Hintergrund.
Lizz Wright (Foto: Tony Smith)

Jazzsängerin Lizz Wright hat nicht nur ein neues Album aufgenommen, sondern auch ein Label und ein Restaurant gegründet. Wo findet sie die Energie dafür?

Lizz, „Shadow“ ist das erste Studioalbum auf deinem eigenen Label „Blues & Greens Records“. Welche Gelegenheiten haben sich dir durch diese neue Freiheit geboten?

Lizz Wright: Das Album war eine tolle Möglichkeit, viele meiner liebsten musikalischen Bekanntschaften aus den letzten 20 Jahren an Bord zu holen. Ich konnte endlich mit Chris Bruce als Produzenten arbeiten. Schon lange ist er immer die rechte Hand der Leute gewesen, die meine Alben produziert haben, aber nun konnte ich sehen, was in seinem Kopf vor sich geht. Wir haben in Chicago aufgenommen, was auch sehr nett war: Zum ersten Mal konnte ich einfach in meinen Truck steigen, 20 Minuten fahren und mit den Aufnahmen anfangen.

Ich stelle mir vor, dass das auch eine neue Verantwortung mit sich bringt, die nicht immer leicht ist.

Wright: Klar, aber ich bin ja nicht allein: Ich habe ein wunderbares Team, das mich unterstützt. Als Künstlerin machst du dich generell verwundbar, und das ist einfach ein weiterer Aspekt davon. Während der Pandemie haben meine Partnerin und ich ein kleines Café hier in Chicago renoviert. Ich konnte nicht performen, also war mein gesamter Fokus darauf gerichtet, sich um meine Community zu kümmern. Das hat mir Mut gegeben, was das Geschäftliche angeht. Jetzt kann ich jeden Tag Leute ernähren, nicht nur auf der Bühne.

Ist für andere Leute singen und ihnen Essen bringen für dich dasselbe?

Wright: Ich muss für andere Leute da sein, das habe ich von meinem Vater. Es hilft mir, mich daran zu erinnern, wer ich bin. Mir ist klar geworden: Wenn die Welt durchdreht, muss ich mich um andere kümmern. Ich bin wie ein Traktor – schmeiß mich an, und ich lege los. (lacht) Aber ich bin keine Märtyrerin oder so. Mir macht es ja Spaß, ich tue es auch für mich selbst.

Auf dem Album gibt es verhältnismäßig viele Songs, die du selbst geschrieben hast, mehrere davon gleich am Anfang. Hängt das auch mit diesem Wandel zusammen?

Wright: Die große Menge selbstgeschriebener Songs hat damit zu tun, das ich mehr an mich glaube. Aber auch mit den unglaublichen Leuten, die mir geholfen haben. Außerdem wusste ich genau, worüber ich schreiben wollte: Im Vorfeld des Albums ist meine Großmutter gestorben. Gott sei Dank habe ich es geschafft, 40 zu werden, bevor eine mir wirklich nahe Person verstorben ist. Ich bin dankbar für die Art, wie sie gegangen ist. Es war so schön und faszinierend. Wir hatten eine Konversation, von der sie wusste, dass es die letzte sein würde, bevor die Demenz sie mit sich nimmt. Ihre Worte haben mich so inspiriert, dass ich einfach darüber schreiben musste.

Ist es also primär ein Album über Trauer?

Wright: Ich mag Alben, die wie ein langer Essay sind und etwas zu sagen haben. Bei „Shadow“ geht es darum, was du in dieser Situation vorfindest, in der die Form der Dinge unklar ist. Wenn dein geschützter Ort dir genommen wird und du der Welt ausgeliefert bist – wer wirst du dann sein? Selbst im Schatten des Todes gibt es Freude und Liebe zu entdecken.

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