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Thomas Raab: Der Metzger

Dass gleich zwei neue österreichische Krimis mit Mordanschlägen am Würstelstand beginnen, kann man kulturhistorisch zwar erklären – der Würstelstand hat seit der k.u.k. Monarchie in Österreich eine wichtige soziale und ökonomische Bedeutung. Warum aber in „Interview mit einem Mörder“ (Haymon, 2016, 288 S., 19,90 Euro) der Ex-Fußballstar Johann Baroni bei der Eröffnung seines Würstelstandes von einem Unbekannten zeitgleich zum Salut des Schützenvereins niedergeschossen wird: das weiß man erst, wenn man den Krimi zu Ende gelesen hat – obwohl man den Schützen gemeinsam mit Bernhard Aichners Helden Max Broll von Anfang an kennt. Unbekannt dagegen ist der Fahrer des kleinen Elektrolasters in Thomas Raabs Krimi „Der Metzger“. Der fährt zuerst den vielgehassten Literaturkritiker Hofer um und zerlegt dann Zawodniks Würstelstand in Einzelteile, ehe er ungestört um die nächste Ecke biegt und verschwindet. Zawodniks Kundenschar, zu der auch Raabs Krimiheld und Freizeitdetektiv Willibald Adrian Metzger zählt, bleibt konsterniert und geschockt beim Trümmerhaufen zurück, der mal der Würstelstand war. Nun sind sich beide Krimis in der Folge nicht unbedingt ähnlich. Das fängt schon beim Schreibstil der beiden Autoren Raab und Aichner an. Aichner ist zurückgenommen in der Schilderung des jeweiligen Settings – lediglich das Attentat am Würstelstand ist wirklich gut ausgeleuchtet, alle weiteren Passagen im Krimi, die im Ausland sowie auf einem Kreuzfahrtschiff spielen, könnten genauso gut woanders angesiedelt sein. Ganz anders Raab in seiner Opulenz der Beschreibung von Personen und Umfeld sowie in der psychologisch genauen Ausarbeitung der Menschen über ihre Dialoge. Unterschiedlicher kann auch die Fortentwicklung beider Plots nicht sein. Aichners „Interview“ ist fast schon die Schilderung einer Obsession des Helden Broll, der, weil ihm keiner glaubt, den Schützen im Alleingang zur Strecke bringen will. Raabs „Der Metzger“ hingegen wird nicht ohne Grund als Kriminalroman ausgewiesen – hier findet neben Mord und Totschlag mindestens genauso viel Milieuschilderung statt. Im aktuellen Fall – „Der Metzger“ ist bereits das siebte Buch mit dem gleichen Helden – werden die Zunft der Fleischer und das Verlagswesen gleichermaßen genau und gemein seziert. Wer den kürzeren Weg zum Mörder sucht, wählt Bernhard Aichner, wer sich gerne auf Seitenwegen bewegt, Thomas Raab. In beiden Fällen kriegt man intelligent-mörderische Unterhaltung.

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