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Til Schweiger

Umzug, Familie, seine zweite Regiearbeit „Barfuß“: Til Schweiger ist ist zur Zeit wie ein besetztetes Telefon. Und nicht einmal im Interview mit _ulysses gönnt ihm sein dauerklingelndes Handy eine Verschnaufpause. Ein Gepräch über Amerika, Kino und die Vorteile alemannischer Disziplin

_ulysses: Til, „Barfuß“ ist sehr amerikanisch inszeniert. Der Held wohnt in einer schick heruntergekommenen Altbauwohnung und seine Rechnungen wirft achtloser ins Treppenhaus. Hast du zu lange in den USA gewohnt?

Schweiger: Wir hatten für Kamera und Ausstattung ein sehr ausgefeiltes Konzept und wussten ganz genau, in welche Richtung wir mit dem Film wollten. Dass die Wohnung doch sehr glamourös aussieht, haben wir am Schluss auch gesehen, das stimmt, das kann man vorwerfen. Aber da muss man auch mal drüber hinweggucken. Wenn du zu einem Ausstatter sagst: Der Kerl wohnt in einer abgeranzten Bude, dann schafft alte Pizzakartons und tausend leere Bierflaschen heran. Das habe ich aber auch schon hundertmal gesehen.

_ulysses: Was hast du in den USA übers Kino gelernt?

Schweiger: Ich kann jetzt nicht dezidiert sagen, was ich bei wem gelernt habe. Aber ich habe immer schon genau zugeguckt, wie ein Kamermann seine Lampen aufbaut oder warum ein Regisseur das jetzt in der Einstellung dreht oder in der. Ich habe viel von anderen Schauspielern gelernt. Wenn du mit jemandem wie Nick Nolte drehst, dann beobachtest du, was er macht, wie er sich vor dem Take verhält und danach, wie er sich konzentriert oder was er für Späßchen macht. Ich habe dem einmal ins Drehbuch geguckt und dachte: Das gibt’s nicht. Jeder Blick war festgelegt, sah aber total spontan aus. Ich habe mir auch immer angeguckt, warum die Ausstatter die Wohnungen unbedingt so ausgestattet haben, wie sie es taten. Im amerikanischen und ganz extrem im deutschen Film gilt: Wenn es eine Komödie ist, muss alles immer bunt und hell sein. Ich sage: Es gibt überhaupt keinen Grund, warum das so sein muss.

_ulysses: Dafür sieht „Barfuß“ sehr zeitlos aus. Autos, Häuser und Innenräume sind keiner bestimmten Dekade oder einem Land zuzuordnen. Was hast du für ein Problem mit der Gegenwart und Deutschland?

Schweiger: Das ist ein ästhetisches Prinzip. Das haben wir schon bei „Knockin’ on Heaven’s Door““ versucht, da ist es uns nur fast gelungen, weil dass ganze Team nicht so gut abgestimmt war. Oder es lag am Kameramann und teilweise auch an Thomas Jahn, dem Regisseur. Der wollte unbedingt, dass wir ein paar Szenen in seinen Heimatort Hückelhofen drehen. Hückelhofen sieht aber nicht aus wie für einen Kinofilm gemacht, es sieht aus wie ein typische deutsche Kleinstadt. Ich bin als Kind durch Frankreich gefahren, und habe mir gedacht: Hier sehen die Kleinstädte viel geiler aus als in Deutschland, vor allem gegenüber diesen Dörfchen, die hier erst nach dem Krieg entstanden sind: alle gleich, alle gemauert, mit rotem Ziegeldach und einem kleinen Vorgarten drum herum. In Frankreich hast du so eine Patina, was Gelebtes, das finde ich viel schöner. Und, hey, ein englisches Taxi sieht einfach besser aus als ein deutsches.

_ulysses: Was vermisst du?

Schweiger: Deutschland ist ein wunderschönes Land. Aber es ist so voll, dass du kaum zwei Minuten irgendwo langfahren kannst, ohne auf die nächste Neubausiedlung zu treffen. Deutschland ist durchs Fernsehen so abgefilmt, dass ich versuche, für das Kino eine andere Ästhetik zu finden. Kino hat mit Bildern zu tun, und wir wollten, dass der Film so schön wie möglich aussieht. Deswegen gibt es in meinen Filmen auch keine Polizeiuniformen mehr oder grünweiße Polizeiautos und auch keine Polizeisirenen. Bei „Knockin’ on Heaven’s Door“ haben wir bei damals schon amerikanische Sirenen draufgelegt und gedacht: Man wird uns dafür schlagen, aber das ist uns jetzt scheißegal. Und dafür hat uns dann auch keiner geschlagen.

_ulysses: Deine neue Heimat Hamburg hat auch blausilberne Polizeiautos …

Schweiger: Ja, aber die sehen auch nicht besser aus.

_ulysses: Läuft man mit solchen Realitätsverfremdungen nicht Gefahr, ein absolutes Märchen zu erzählen, das in einem Fantasialand spielt?

Schweiger: Wir sind nicht angetreten, um einen realistischen Film zu machen. Wir machen Kino, und die Magie von Kino ist doch, dass es ein Märchen ist. Es ist nicht „Gegen die Wand“.

_ulysses: Was können die Amerikaner vom deutschen Kino lernen?

Schweiger: Die Amerikaner können auf jeden Fall von uns lernen, wie man einen Film wirtschaftlicher dreht. Wenn man sich anguckt, was bei einem 120-Millionen-Dollar-Budget an Geld verpulvert wird, dann kapiert man, warum die solche Budgets haben. Mein Lieblingsbeispiel ist „Lara Croft 2“. Da sind wir mit dem ganzen Team und allen Fahrzeugen in einer gecharterten Boeing 747 von London nach Nairobi geflogen. Fetter ging’s nicht mehr, das war D-Day! Als wir in Nairobi ankamen, wusste keiner mehr irgendwas. Der Regieassistent wusste nicht, wo der Aufnahmeleiter ist, der Aufnahmeleiter wusste nicht, wer in welchem Hotel schläft, dann waren ganze Trupps von Leuten plötzlich verschwunden, obwohl alle vorher gebrieft worden waren, dass Nairobi lebensgefährlich ist. Dann haben wir den Drehort nicht gefunden und so weiter. Die Einheimischen, die den Dreh vor Ort mit organisiert haben, sagten: Das gibt’s doch gar nicht. Vor zwei Jahren hatten wir hier diesen deutschen Film, „Nirgendwo in Afríka“ von Caroline Link, und das ging zackzack, organisiert, pang, gedreht, papp-papp-papp, fertig. Die haben sich kaputtgelacht. Das war fast wie im Irak-Krieg: erstmal rein, und dann gucken, was man macht.

_ulysses: Du spielst gerne den Loner, den einsamen Wolf, den Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ, der sein eigenes Leben lebt und sich an keine Regeln hält. Bist du das?

Schweiger: Das ist Zufall, ob du es glaubst oder nicht. Es liegt an den Stoffen, für die ich mich interessiere. Das hat sich ergeben, es gab auch schon Rollen, die ich gerne gespielt hätte und nicht bekommen habe. Eine Figur wie in „Barfuß“ liegt mir zehnmal mehr als ein geleckter Bänker.

_ulysses: Das wäre wohl auch nicht sehr glaubhaft.

Schweiger: Och, ich glaube schon, dass man mir das glaubt. Aber es würde mich nicht so interessieren.

_ulysses: Auf diese Weise entstehen feste Images, die man nicht los wird.

Schweiger: Ich habe so viele verschiedene Images aufgedrückt bekommen … Am Anfang hieß es Macho, dann Knuddelbär, das ging eigentlich gar nicht zusammen. Images beeinflusst man nicht selber. Ich bin nicht angetreten, um den einsamen Cowboy zu spielen.

_ulysses: Am Schluss von „Barfuß“ weist sich der Held selbst in die Psychiatrie ein, um bei seiner Liebsten zu sein. Was sagt das über das Weltbild von Til Schweiger aus?

Schweiger: Das war einfach die orginellste und größte Heldentat, die ich seit langem gelesen habe. Größer, als im Alleingang auf einem Flugzeugträger 17 arabische Terroristen umzuballern. Mehr geht nicht. Es gibt ein paar Schlaumeier, die behaupten, der Film wäre vorhersehbar – das ist nicht vorhersehbar.

Interview: Volker Sievert

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