Zum Inhalt springen

Vogelfrei: das Tingvall Trio im Interview zu „Birds“

Tingvall Trio
Das Tingvall Trio feiert dieses Jahr 20-jähriges Jubiläum. (Steven Haberland)

Auch nach 20 Jahren denkt das Tingvall Trio nicht ans Aufgeben – trotz zunehmender Konkurrenz aus dem digitalen Sektor.

Martin, Omar, Jürgen, erst mal herzlichen Glückwunsch – euer Trio wird dieses Jahr 20! Wie geht es euch damit?

Martin Tingvall: Wir freuen uns riesig, dass wir noch so viel Spaß haben. Aber um ehrlich zu sein, hat sich nicht so viel verändert. Es ist ein fortlaufender Prozess, und wir kennen uns in Wahrheit ja noch länger als 20 Jahre. Es gibt Songs, die habe ich vor mehr als 30 Jahren geschrieben! Das alles ist eine Reise, und wir sind mittendrin.

Omar Rodriguez Calvo: 20 ist nur eine Nummer. Wir fühlen uns jedes Mal wie neu, vor allem auf der Bühne. Gerade beim Jazz musst du ja immer improvisieren und auf das Publikum reagieren. Wenn wir in 40 Jahren noch zusammen spielen, werden wir sicher das gleiche sagen.

Also ist alles noch so wie früher?

Tingvall: Was schön ist, und was wir besonders in letzter Zeit erlebt haben, ist ein Generationswechsel im Publikum. Dass zunehmend jüngere Menschen Zugang zu unserer Musik haben – das ist total cool. Vor allem, weil im traditionellen Jazz das Publikum oft eher älter ist. Natürlich sind in unserer Musik auch unterschiedliche Genres vertreten.

Jürgen Spiegel: Ich höre oft nach Konzerten, dass viele die Musik schon als Kinder zu Hause gehört haben. Das ist gut für uns, denn sie können nicht ausweichen.

Euer Jubiläumsalbum heißt „Birds“. Habt ihr eine besondere Bindung zu Vögeln?

Rodriguez Calvo: Bevor wir mit dem Thema anfangen: Viele Menschen wollen alles eins zu eins haben. Was höre ich da? Einen Specht? Aber das ist zu nah. Es geht eher darum, was ein Vogel mit mir macht. Das Gefühl, einen zu hören oder zu sehen – oder gerade nicht zu sehen. Und die Bedeutung: Was bringen die Vögel den Menschen?

Tingvall: Am Anfang haben wir allerdings tatsächlich den Gesang der Vögel nachgespielt. Da kommen ganz schön komplexe Melodien bei raus. Man muss nur die Ruhe haben, das als Musik wahrzunehmen, statt als Geräusch. Dazu geht es auch um die Veränderungen, die in der Natur stattfinden, den Klimawandel etwa. Da geht so viel in die falsche Richtung. Ich war in letzter Zeit oft auf dem Land in Schweden, da nimmt man das anders wahr als in der Stadt – zum Beispiel, wenn die Gänse dableiben, weil sie nicht mehr nach Afrika fliegen müssen.

Was bedeutet die Natur euch selbst?

Tingvall: Wir leben in einer unfassbar digitalisierten Welt. Man überlegt sich schon, wie lange es Leute wie uns noch braucht. Es gibt ja bereits sehr viel, was KI tun kann, etwa Musik nach spezifischen Parametern komponieren.

Spiegel: Meine Kinder haben Apps, mit denen kannst du einen ganzen Song bauen, Leute veröffentlichen die schon jetzt auf Spotify. Wir gehören auch zu einer aussterbenden Rasse: Musik wird immer bleiben, aber die Vielfalt verkleinert sich.

Beitrag teilen: