„A Very British Scandal“: Scheidung mit Schmackes
Die Herzogin von Argyll steht im Mittelpunkt der Serie „A Very British Scandal“ im ZDF und in der Mediathek. In der Hauptrolle: Claire Foy.
Wie schon in der Miniserie „A Very English Scandal“ geht es auch in „A Very British Scandal“ (ZDF und ZDF-Mediathek) um einen gesellschaftlichen Skandal im Nachkriegsengland, der sich über Jahrzehnte aufbaut, ehe er publik wird und damit erst zum Eklat führt. In diesem Fall ereignet sich der Skandal mit der Scheidung, den die Herzogin von Argyll, geborene Whigham, geschiedene Sweeny, einreicht, um sich von ihrem zweiten Mann, dem 11. Herzog von Argyll, Captain Ian Campbell (Paul Bettany), zu trennen. Der war zu diesem Zeitpunkt selbst zum dritten Mal verheiratet.
Die dreiteilige Miniserie lässt sich nicht viel Zeit mit Details der Ehe, vieles wird nur angerissen – wie zum Beispiel die mit vielen Stichen genähte Verletzung am Hinterkopf von Margaret Campell (Claire Foy, „Die Aussprache“). Da hilft nur eins: Googeln, schließlich wird hier ein echter Skandal in Fiktion gepackt, und mit der schweren Verletzung versuchte die britische Gesellschaft das freizügige Sexualleben von Margaret Campell zu pathologisieren. Wenn etwas an der ganzen Geschichte ein Skandal ist, dann zum Beispiel das.
Doch zurück zu „A Very British Scandal“: Ausgehend von der Scheidung im Jahr 1963 geht die Serie weit zurück in die Vergangenheit: Wie Margaret und Ian sich bei einer Zugfahrt kennenlernen, wie sie einander hinter der frivol-förmlichen Fassade gegenseitig eiskalt auf Ehetauglichkeit taxieren und für gut befinden. Für Captain Ian Campbell (Paul Bettany, „WandaVision“) ist Margaret breits die dritte Chance, sich an eine reiche Erbin ranzumachen und sie auszunehmen. Sie wird mit den Mitteln ihres Vaters bereits sehr bald den runtergerockten Familienbesitz der Herzöge von Argyll restaurieren, nur um während der Abschlussfeierlichkeiten von ihrem Mann zu hören, dass sein Erstgeborener mal alles erben und natürlich seine Mutter mit aufs Gut bringen wird. Sie, Margaret, solle sich schon mal gut mit seiner Ex stellen, wenn sie nach seinem Tod noch auf dem Gut wohnen wolle. Dies ist nur die erste von vielen, vielen Demütigungen, die der amphetaminabhängige Alkoholiker für seine Frau aus dem Ärmel schüttelt.
Die aber ist ebenfalls kein Kind von Traurigkeit, fälscht Briefe von Ians Ex-Frau, die seine Vaterschaft leugnen, und hält sich diskret Liebhaber – dummerweise macht sie Fotos vom Sex und bewahrt diese auf, was ihr noch zum Verhängnis wird. Das Gute an „A Very British Scandal“: Kein moralischer Zeigefinger stört den Handlungsablauf, Taten und Worte stehen für sich, es wird das Privatleben abgebildet, wie es möglicherweise stattfand, ebenfalls die Reaktionen aus dem sozialen Umfeld.
„A Very British Scandal“ zeigt nicht nur eine frauenfeindliche Gesellschaft (an deren Existenz auch Frauen mitbauen); die Serie zeigt auch etliche Frauen, die selbstwewusst und mit viel Raffinesse ihre Freiräume suchen, finden und mit allen Mitteln verteidigen. Klar: All diese Frauen haben Vermögen, das ihnen von den Vätern zur Verfügung gestellt wird, die erarbeitete Freiheit ist somit auch eine, die nur einer ganz bestimmten elitären Schicht zur Verfügung steht, ein modernes Modewort dafür, das aber vom Ökonomischen wegführt und damit den Sachverhalt verfälscht, ist auch: privilgiert.
Die Serie „A Very British Scandal“ zieht ihre Stärke daraus, dass sie das Gegenteil von Moral transportiert: Sie will zuallererst unterhalten. So muss man oft lachen, wenn das Ehepaar Argyll seine Gespräche führt, deren Durchtriebenheit man sofort erkennt und die auch beiden Sprechenden in jeder Sekunde bewusst sein muss. Es ist die typisch britische Fassade, die die Fallhöhe für den Humor bereitet. Drei Stunden Drama können eben manchmal sehr gut unterhalten.