Adel Tawil
Die Konzerte seiner letzten Tour waren eine Selbsttherapie. Jetzt ist Adel Tawil wieder obenauf und kehrt mit neuem Sound zurück.Interview: Steffen Rüth
Adel, dein letztes Album „So schön anders“ war sehr düster. „Alles lebt“ wirkt jetzt insgesamt deutlich heller.
Adel Tawil: Deswegen war ich auch so schnell mit diesem Album. Ich fühle mich längst wieder viel besser, und auf der letzten Platte gab es wütende Songs, die ich so heute nicht mehr schreiben würde. Es hat geholfen, dass bei meiner letzten Tour jedes Konzert eine Form von Selbsttherapie war.
Die meisten der neuen Nummern setzen auf Beats und auf eine jüngere, stärker an HipHop orientierte Produktion. Was steckt dahinter?
Tawil: Ich wollte, dass das neue Album deutlich urbaner klingt als das vorherige, mit mehr Ecken und Kanten. Und das heißt: Die Beats sollten mehr knallen, der Bass sollte brummen. Ich mache immer noch Popmusik mit starken Melodien, aber die Haltung dahinter ist kompromissloser. „Alles lebt“, das der Duisburger Produzent Juh-Dee produziert hat, ist genau so geworden, wie ich es wollte. Auch für ihn war das was Neues. Vor mir hat er immer nur mit Rappern wie Summer Cem, Farid Bang oder KC Rebell gearbeitet.
Der deutsche HipHop hat keinen optimalen Ruf und gilt bei vielen als aggressiv, konsumgeil, homophob und frauenverachtend.
Tawil: Diese Keule wird über alle gezogen, aber viele kriegen sie zu Unrecht ab. Ich bin mit Hip-Hop, Breakdance, Graffiti groß geworden. Das ist eine Kultur, die ihre eigenen Werte hat – und die sind keinesfalls auf Hass aufgebaut. Battle-Rap hingegen ist verbaler Kampfsport.
In „Atombombe“ singst du über einen Bombenfehlalarm. Hast du das wirklich so erlebt?
Tawil: Und ob! Wir waren zu acht, als wir bei meinem Freund Marlo auf Hawaii an den neuen Songs gearbeitet haben. Eines Morgens bekamen plötzlich alle diese Push-Nachricht aufs Handy: „Achtung, Bombenalarm. Bringen Sie sich in Sicherheit. Das ist keine Übung.“ Das war zu der Zeit, als Trump und Kim Jong-un sich gegenseitig beschimpft haben. Dadurch war das ganze Szenario absolut realistisch. Alle drehten am Rad, nur unsere weise, alte Yogalehrerin Ellen Einhorn rieb sich den Bauch und hat gesagt: „Keine Angst. Ich spüre nichts.“ 38 Minuten nach dem Alarm kann dann die Entwarnung.