Ai Weiwei untersucht mit „Vivos“ strukturelle Korruption in der mexikanischen Regierung
„Vivos“, der neue Film von Ai Weiwei, macht das Private politisch, und das Politische privat.
„Vivos“, der neue Film des chinesischen Künstlers, Kurators und Regisseurs Ai Weiwei, wird am 24. Januar seine Premiere beim Sundance Film Festival feiern. Für „Vivos“ hat sich Weiwei erneut mit dem dänischen Filmeditor Nils Pagh Andersen zusammengetan. Die beiden arbeiteten zuletzt 2017 für die Dokumentation „Human Flow“ zusammen, die sich mit der globalen Flüchtlingskrise auseinandersetzte.
Ai Weiwei untersucht die Massenentführung in Iguala 2014
Mit „Vivos“ widmen sich Weiwei und Andersen der Massenentführung in Iguala 2014. Am 26. September 2014 wurde ein Busconvoy mit Lehramtsstudierenden, die den mexikanischen Bundesstaat Guerrero durchquerten, von der Polizei aufgehalten. Die Studierenden waren auf dem Weg zu einer Kundgebung gegen diskriminierende Einstellungs- und Bezahlungspraktiken der mexikanischen Regierung. Lehrer*innenseminare stehen zudem bei den mexikanischen Behörden unter dem Ruf, revolutionäres Gedankengut zu verbreiten. Daher sind staatliche Kontrollmaßnahmen von Lehramtsstudierenden keine Ausnahme.
Die Polizei eröffnete im Zuge der Kontrolle jedoch ohne Vorwarnung das Feuer, und sechs Menschen kamen ums Leben, Dutzende mehr wurden verwundet. Seitdem sind 43 der Studierenden verschwunden, und ihr Verbleib ist bis heute ungeklärt. Im Laufe der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Polizei die verschwundenen Studierenden dem Kartell Guerreros Unidos übergab. Mutmaßung zufolge ermordete das Kartell die Studierenden, doch bisher sind dafür keine konkreten Beweise zu finden.
„Vivos“ zeigt die menschlichen Folgen der Gewalt – und hinterfragt die offizielle Geschichte
Obwohl der Krieg zwischen den Kartellen und der mexikanischen Regierung – und die Intervention der Vereinigten Staaten im Zuge des „War on Drugs“ – bisher mehrere Tausend Tote in Mexiko gefordert hat, erhielt der Vorfall in Iguala nationale Aufmerksamkeit. Ai Weiweis Dokumentation „Vivos“ nähert sich dem politisch emblematischen Ereignis zunächst von der menschlichen Seite her und zeigt die Trauer der Hinterbliebenen sowie ihren Kampf darum herauszufinden, was mit ihren Angehörigen geschah.
Darüberhinaus hinterfragt „Vivos“ allerdings auch die offizielle Geschichte der mexikanischen Regierung, die die Schuld der Tragödie den Kartellen sowie einzelnen korrupten Lokalpolizist*innen gibt. Der Fokus der Aufklärungsarbeit, die Weiweis Film zu leisten versucht, liegt auf struktureller, nationalpolitischer Ebene – und klammert auch die Rolle, die der US-Amerikanische „War on Drugs“ in der mexikanischen Politik spielt, nicht aus.
„Vivos“ feiert am 24. Januar Premiere auf dem Sundance Film Festival in Utah. Für den weltweiten Vertrieb der Dokumentation ist der Distributor Cinephil verantwortlich, aber ein Veröffentlichungsdatum ist bisher noch nicht bekannt. jl