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Alizée

Mit „Moi … Lolita“ säuselte sich die niedliche Französin Alizée über Nacht zum Ruhm und wurde zum Männertraum. Sie aber träumt vom Märchenprinz und dem Schwimmen mit Delfinen.

Wie sieht ein Vamp im Alltag aus? Nun ja, nicht unbedingt sexy: In dem riesigen Sessel ihrer Hotelsuite wirkt Alizée ein wenig verloren. Sie hockt im Schneidersitz da – keine besonders erotische Pose. Die Ärmel ihrer übergroßen gelben Trainingsjacke hat sie über die Hände gezogen. Schüchtern blickt sie immer wieder zu Boden. Es fällt ihr schwer, mit ihren großen braunen Augen Blickkontakt zu halten. Kaum zu glauben, dass dieses zierliche Persönchen normalerweise die Männer um den Verstand bringt. Mit der glamourösen Lasziven aus ihrem Video „Moi … Lolita“ hat die kleine Korsin jedenfalls zurzeit nichts gemein. „Ach ja, die Sexbombe“, sagt sie und lächelt zart, „die ist nur eine Kunstfigur. In Wirklichkeit bin ich eher zurückhaltend.“

Wer den Titel „J’ai pas vingt ans!“ hört, weiß, wonach sich die junge Dame wirklich sehnt: nach einem Märchenprinzen, der für sie gefühlvolle Gedichte verfasst. „Wenn ein Junge mir poetische Briefe schreibt“, schwärmt sie, „ist das für mich der schönste Liebesbeweis.“

Nun, es dürften viele Hobbydichter Schlange stehen. Denn die 18-Jährige ist nicht nur süß, sondern auch berühmt. Ihr Hit „Moi … Lolita“ eroberte europaweit die Charts, von ihrem Debüt-Album „Gourmandises“ verkaufte sie mehr als vier Millionen Scheiben. Will heißen: Nach Vanessa Paradis hat Frankreich wieder einen inernationalen Popstar. Gemeinsam mit Benjamin Biolay machte sie die musikalische „nouvelle scène française“ auch rechtsrheinisch populär. Beide ebneten den Weg für die minimalistische Gitarrenmusik des Ex-Models Carla Bruni oder für Patrick Bruel, der mit seinen Chanson-Covers die 30er und 40er Jahre heraufbeschwört. Sogar die Briten mögen plötzlich die Musik des Erbfeindes: Die Engländerin Kate Ryan sang sich mit einer Coverversion von Mylène Farmers Klassiker „Désenchantée“ in die Topten.

Farmer war es auch, die Alizée entdeckte. Sie schrieb ihr Stücke auf den zarten Leib, und jetzt ist der Teenager Frankreichs Popstar Nummer eins. „Oh, nein“, protestiert Alizée. „Für mich ist Mylène nach wie vor die Größte. Ich kann mich musikalisch nicht mit ihr messen.“ Diese Tiefstapelei – typisch fürs französische Fräuleinwunder. „Wenn mich meine Familie nicht immer wieder ermuntert hätte“, gesteht sie, „hätte ich mit meinem geringen Selbstvertrauen wohl nie Karriere gemacht.“ Deshalb käme es Alizée nicht in den Sinn, Laetitia Casta nachzueifern und Frankreichs neue Marianne zu werden. „Um Himmels Willen, nein!“ wehrt sie entgeistert ab. „Laeticia ist ein bildschönes Model. Mit ihr könnte ich niemals konkurrieren.“

Drum konzentriert sich Alizée lieber auf die Musik. Bei ihrem zweiten Album „Mes Courants électriques“ bleibt alles beim Alten: Zu eingängigen Popmelodien trällert sie mit sanfter Stimme Farmer-Texte. „Weil mich Mylène inzwischen in- und auswendig kennt“, sagt sie, „kann ich mich mit all ihren Liedern sofort identifizieren.“ Vor allem „Tempête“, eine Hommage an Napoleon, liegt ihr am Herzen. Wurde doch Frankreichs Feldherr – genau wie sie – auf Korsika geboren. „Ich lese jedes Buch über ihn, das ich in die Finger kriege“, sagt Alizée.

Das dürfte ihre früheren Fachlehrer verblüffen, denn in Geschichte war sie nie eine Leuchte. Alizée zog die kreativen Fächer vor. Ihre große Leidenschaft war schon als Kind der Film. Kein Wunder also, dass sie mit dem Song „Amélie m’a dit“ dem Kassenschlager „Die fabelhafte Welt der Amélie“ Referenz erweist. Ist das ihr Lieblingsfilm? „Nein“, sagt sie. „Mein Favorit ist Luc Bessons ‚Im Rausch der Tiefe’. Seitdem faszinieren mich Delfine. Eines Tages will ich mit ihnen im Meer schwimmen.“

Dagmar Leischow

Mes Courants Electriques erscheint im Vertrieb von Polydor Island.

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