Alternative HipHop ist diesen Sommer in seiner Blüte: mit Freddie Gibbs, Quadeca und Jim Legxacy

HipHop schlägt derweil so gut wie alle andere Genres in Sachen Verkaufszahlen und Popularität. Doch abseits der großen Namen, die für diese Zahlen sorgen, blüht die Szene im Prinzip erst so richtig auf. Fünf Alben aus diesem Sommer, die alternativ zum Mainstream-HipHop laufen.
Dieser Sommer hat es bislang gut mit uns gemeint, was HipHop-Releases angeht – doch während Tyler, the Creator, Travis Scott oder Clipse mit ihren respektiven Alben (zumeist) verdientermaßen durch die Medien und Playlists gereicht wurden, laufen einige HipHop-Künstler:innen nach wie vor unter dem Radar. Denn während die Zugpferde des momentan vielleicht erfolgreichsten Genres ihre Alben hunderttausendfach verkaufen und die Schlagzeilen dominieren, bleiben andere häufig unter dem Status „Lieblingsrapper deines Lieblingsrappers“ vermerkt – und sind teils sogar Inspirationsquellen für die großen Releases.
So hat sich zum Beispiel der Virginia-Rapper $ilkMoney beschwert, dass Tyler, the Creator einige Flowpassagen und Vokabularien direkt von ihm übernommen habe. Speziell bei dem Song „Mommanem“ sieht der einstige Kollaborateur des zweifachen Grammygewinners zu deutliche Parallelen zu seinem eigenen Song „My Potna Dem“. $ilkMoney hat im Übrigen auch ein Album im Juli veröffentlicht, doch das Projekt mit dem unsagbar langen Titel „Who waters the wilting giving Tree once the Leaves dry up and Fruits no longer bear?“ ist nicht ein solches Highlight gewesen, wie es die aus der nachfolgenden Liste gewesen sind.
Freddie Gibbs & The Alchemist – Alfredo 2
Der Nachfolger von „Alfredo“ (2020) ist recht unspektakulär und ohne viel Vorlaufzeit veröffentlicht worden. Dabei ist das gemeinsame Projekt von Indiana-Rapper Freddie Gibbs und kongenialem Producer-Partner The Alchemist in Szenekreisen seit langem herbeigesehnt worden, war der Erstling doch eine hochgelobte und vor allem extrem stimmige Zusammenarbeit zweier Meister ihrer Fächer.
Denn wo Gibbs auf seinen Projekten seit Beginn seiner Karriere Anfang der 2010er stets am meisten zur Geltung kam, sind es einzelne Produzenten gewesen, die von Anfang bis Ende exklusiv die Beats beigesteuert haben. Die zwei Alben „Piñata“ und „Bandana“ mit Madlib sprechen ebenso dafür wie „Alfredo“ und der nun eben neu erschienene zweite Teil davon mit Alchemist. Höchst authentischer Gangsta-Rap auf den loungigen Piano-Instrumentals aus der Feder des Underground-Lieblings.
Quadeca – Vanisher, Horizon Scraper
Vom YouTube-Rapper mit mäßigem Output hin zu einem der von Kritiker:innen am höchsten gelobten Alternative-Rapper: Quadecas Geschichte ist eine der spannenderen der jüngeren HipHop-Geschichte. Was anfangs Fifa-Videos und Disse an andere YouTuber waren, sind mittlerweile großflächige Konzeptalben, die verschiedene Genres vereinen und Bestnoten in den Reviews erhalten.
Sein neuestes Album „Vanisher, Horizon Scaper“ zeigt diese Entwicklung am vielleicht besten auf. Über eine Stunde baut der 24-Jährige ein klangliches Universum aus allen erdenklichen Instrumenten auf, untermalt diese wahlweise mit sanften gesungenen Vocals oder aber drückenden Rap-Passagen und zeigt, wie grandios anders HipHop auch interpretiert werden kann. Das begleitende Video zum Album veredelt dieses jetzt schon hoch gehandelte Album schließlich endgültig.
McKinley Dixon – Magic, alive!
Der wie Quadeca (und im Übrigen auch Clipse) ebenfalls aus Virginia entstammende McKinleyDixon hat die warmen Tage dieses Jahres eingeläutet mit einem ganz genauso warm klingenden Jazz-Rap Album. Sein nun schon fünfter Langspieler „Magic, alive!“ vereint vieles von dem, was alternativen Rap so ausmacht: ein albumumspannendes Konzept über drei junge Menschen, deren Freund stirbt, jede Menge experimentelle Songstrukturen und eine Armada an (zumeist jazzigen) Instrumenten in den Beats, die in ihrer Orchestrierung auch mal an Little Simz’ Meisterwerk „Sometimes I might be Introvert“ anmuten. Das ist ganz hohe Alternative Rap-Kunst.
Raekwon – The Emperor’s new Clothes
Ob der Wu-Tang Clan in all seinem Erfolg und maßstabssetzenden HipHop wirklich so als Rap abseits des Mainstream gelten kann, sei mal dahingestellt. Aber wir haben nicht mehr die 90er, und ein Album von Raekwon schlägt eben nicht mehr so hohe Wellen, wie es heutzutage ein Travis Scott ohne großen Aufwand tut. Dabei hat der East-Coast-Rapper mit „The Emperor’s new Clothes“ im Juli ein grundsolides Album veröffentlicht – über 30 Jahre nach dem Debütalbum des Clans.
Sein mittlerweile achtes Soloalbum kommt mit weniger Songstrukturideen aus als die anderen Rapper aus dieser Liste, doch es steht immer noch im krassen Gegensatz zu dem Mainstream-prägenden Sound neuerer Generationen, ohne altbacken zu wirken. Auch gestützt durch Features der Underground-Legenden Griselda zeigt Raekwon, dass Golden Era-Boom Bap problemlos in 2025 mithalten kann.
Jim Legxacy – Black British Music (2025)
Was passiert bloß alles auf diesem Tape? Jim Legxacy’s viertes Mixtape kommt gute fünf Jahre nach seinen ersten Gehversuchen in der britischen Musikszene und macht mit seinen 15 Songs in Windeseile klar, dass der Londoner sich lang genug gesammelt hat, um den nächsten großen Sprung zu machen. Denn Legxacy hat nicht nur ein Faible für ausgefallene und im Kopf bleibende Songtitel wie „’06 wayne rooney“, „new david bowie“ oder das grandiose „i just banged a snus in canada water“, der Mittzwanziger spielt auch wie kaum jemand sonst aus UK mit seiner Stimme und seinen Genres.
Afrobeat trifft Emo trifft Britpop trifft Ballade trifft auf eine ganze Menge höchst experimentellen HipHop – Grundregel Nummer Eins bei diesem Mixtape ist, sich nicht auf einen Sound einzulassen, denn er wird sowieso innerhalb der nächsten drei Minuten ausgewechselt. Doch was sich hier liest wie ein heilloses Durcheinander, hat trotzdem eine nicht für möglich gehaltene Stringenz inne, die der Sänger & Rapper durch seinen stimmlichen Einsatz orchestriert. Ein roter Faden voller Schmerz, in dem Legxacy trotzdem wieder Hoffnung findet, zieht sich genauso durch das Album wie die Pirate Radio-esquen Einspieler, die den Mixtapecharakter manifestieren. Ein solches Album hat es vorher nicht gegeben, darauf lege ich mich fest – und es zeigt, welche Facetten HipHop noch zu entlocken sein können.
Ausblick für Alternative Rap: es reißt nicht ab
Einige dieser fünf Alben können Clipse und ihrem fulminanten Comeback-Album „Let God sort em out“ definitiv Konkurrenz machen, wenn es Ende des Jahres um das beste Rapalbum geht. Doch dieser Sommer ist noch nicht vorbei, und auch an der Alternative-Front sind noch einige Alben in Aussicht, die sich in diese Liste einreihen könnten. So hat zum Beispiel JID sein neues Album „God does like ugly“ für den 8. August angekündigt, und auch die neu formierten By Storm (fka Injury Reserve) scheinen wieder auf Albumkurs zu sein. Es sind gute Zeiten für alle Fans von HipHop, die auch abseits der allzu bekannten Namen schauen wollen.