„Amadeus“ bei Sky: Tödlicher Neid auf die Gabe Gottes
Wolfgang Amadeus Mozart bei Sky und Wow: In der Serie „Amadeus“ wird der Komponist von seinem Rivalen Antonio Salieri in Wien vergiftet. „Amadeus“ ist wie schon der Film von Miloš Forman eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks.
Die britische Serie „Amadeus“ unter der Regie von Julien Farino und Alice Seabright hat nicht nur den gleichen Titel wie der achtfach oscarprämierte Spielfilm „Amadeus“ von Miloš Forman aus dem Jahr 1984, sie ist auch wie der Film eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von Peter Shaffer, das 1979 uraufgeführt wurde. Gleichzeitig ist sie die zweite Serie binnen weniger Tage („Mozart/Mozart“ läuft im Ersten und steht in der ARD-Mediathek), die sich den Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart vornimmt. Während „Mozart/Mozart“ in einer rein fiktiven Geschichte vor allem eine Karriere von Mozarts Schwester Annerl in den Mittelpunkt rückt und somit überhaupt nichts mit dem realen Leben des Komponisten zu tun hat, wird in „Amadeus“ wie schon im Theaterstück und im Spielfilm die – größtenteils erfundene – Rivalität zwischen dem Wiener Hofkomponisten und späteren Hofkapellmeister Salieri und Mozart verhandelt – bis zur Ermordung Mozarts durch Salieri. „Amadeus“ läuft bei Sky und steht bei Wow zum Streamen bereit.
Dass Antonio Salieri (Paul Bettany, „WandaVision“, „A Very British Scandal“) Mozart vergiftet habe, ging als Gerücht wohl schon in den ersten Tagen nach dem Tod des Komponisten durch Wien, wurde aber von den Ärzten dementiert. Die Serie „Amadeus“ beginnt wie Film und Bühnenstück mit einem Geständnis des alten und todkranken Salieri, diesmal aber nicht gegenüber einem Priester, sondern gegenüber Constanze Mozart, der Witwe des Komponisten. Ihr erzählt Salieri dann auch seine Eindrücke allen Geschehens von der Ankunft Mozarts in Wien im Frühjahr 1781 an. Wie Bettany Salieri spielt in dessen Wechsel zwischen inniger Ergriffenheit beim Hören von Mozarts Kompositionen einerseits und dem Hadern des gläubigen Komponisten mit Gott, weil der ihm vermeintlich nicht die gleichen Fähigkeiten verliehen hat: das ist ganz großes Kino. Wie das Hadern schließlich umschlägt in puren Hass auf Gott und tödlichen Neid auf Mozart, ist dann fast schon etwas übertrieben, aber glaubwürdig umgesetzt.

Allerdings hat Drehbuchautor Joe Barton („Black Doves“, „The Lazarus Project“) gegenüber der ursprünglichen Handlung neben der schon eben erwähnten Änderung noch etliches weiteres umgeschrieben. Die Regie übernahmen Julien Farino („Giri/Haji”) und Alice Seabright („Chloe“, Regie bei Staffel 2 von „Sex Education“ und Drehbuch einzelner Folgen von Staffel 3). So wurde zum Teil auf anachronistische Weise farbenblind besetzt: Den Librettisten Lorenzo da Ponte spielt Enyì Okoronkwo, und Franz Xaver Süßmayr wird von Jyuddah Jaymes („Hijack“) gespielt. Doch das sind letztlich Nebenrollen, und keine junge Zuschauerin wird hoffentlich so bildungsfern sein, dass sie aufgrund dieser Serie glaubt, ein Hoflibrettist oder ein Schüler Mozarts könnten im späten 18. JahrhundertWiens people of color gewesen sein. Was die Serie leistet, ist einerseits gegenüber dem achtfach oscarprämierten Film zu loben: Mozarts hysterische Lache aus dem Film, die eine extreme Unreife des jungen Komponisten zum Ausdruck bringen sollte, wurde gestrichen. Stattdessen spielt Will Sharpe („The White Lotus“) einen vom frühen Tod der Mutter traumatisierten und vom Vater brutal unter Druck gesetzten Komponisten, der immer gegenüber dem Vater immer wieder in kindliche Muster zurückfällt – auch dies Erfindungen zur Steigerung der Dramaturgie, aber psychologisch glaubwürdig umgesetzt. Vor allem aber ist es die jugendliche Unbekümmertheit, der Hochmut des von sich absolut überzeugten Genies gegenüber anderen Komponisten, die in Kombination mit einem fehlenden Gespür für die Situation und mit mangelndem Einfühlungsvermögen ins Gegenüber das Feuer des Hasses bei Salieri schüren.

Gut auch, dass die Frauenrollen gegenüber dem Film viel reifer gezeichnet werden, allen voran Mozarts Frau Constanze, gespielt von Gabrielle Creevy („Black Doves“). Am Deutlichsten kommt dies in der Szene zum Ausdruck, in der sie dem von ihr Sex verlangenden Antonio Salieri Kontra gibt. Wenn man eine solche Szene schon erfindet, sollte sie zumindest zeitgemäß umgesetzt sein. All diese Fiktion ist gut und gaubwürdig in die Handlung integriert, vor allem ist es die Musik Mozarts, die immer wieder auch sein Leben widerspiegelt und auch kommentiert. Aber manchmal schießen Drehbuch und Regie, vor allem bei den Fiesheiten Salieris, doch übers Ziel hinaus: Wozu braucht es eine Saalschlacht bei der Uraufführung einer Oper? Und wozu Auftragsschläger, die Mozart überfallen? Um auch mal kleine Actionszenen in diesem ansonsten doch so soliden Fünfteiler unterzubringen? Aber das sind Marginalien in einem ansonsten gut gespielten und sowohl dramaturgisch als auch musikalisch klug umgesetzten Fünfteiler.