Ana Ann
Früher war Ana Ann Tennis-Profi, jetzt wird sie gepriesen als britische Antwort auf Alicia Keys. Trotzdem verdreht sie verzweifelt die Augen. Denn sie liest gerade etwas über sich in einer englischen Zeitschrift. Dort steht, sie sei eine Art „Britney with brains“. Dabei käme „Dylan mit Brüsten“ der Sache schon näher …
In der Münchner Bar Cosmopolitan quetschen wir uns an einen kleinen Tisch. Ana Ann ist 19, ungeschminkt – und Profi: Sie lässt ungerührt ihren Salat dahinwelken, um sich ganz dem Interview zu widmen. Ana plaudert geschliffen, wehrt sich aber dagegen, das auf deutsch zu tun – immerhin soll die Hübsche ja fünf Fremdsprachen beherrschen. „Ok, Deutsch kommt als nächstes“, verspricht sie und kontert meinen amüsierten Blick mit einem entwaffnenden „Ich bin ein optimistischer Typ.“ „Ich glaube“, sagt sie, „das hört man auch meiner Musik an: Am Ende meiner Geschichten gibt’s immer ein Happyend.“
Das Album spielt in New York und beschreibt das Auf und Ab im Mu-sikbiz und im menschlichen Miteinander. Ana lebte selbst eine Weile in New York, kehrte aber nach England zurück, wegen der Freunde und Familie. Die Songs hat sie zum großen Teil selbst geschrieben und eingespielt, sich aber auch kess Michael Jacksons „Lady in my Life“ geschnappt und umgetauft. War angeblich ganz einfach – Jacko hörte ihre Version und wünschte ihr alles Gute.
Schon sind wir beim Thema Musikbusiness, und sie gerät in Fahrt. „Das Internet“, schwärmt sie, „ist so eine wunderbare Sache für un-abhängige Künstler, ein demokratisches Instrument sozusagen. Die großen Plattenfirmen behaupten natürlich, riesige Umsatzeinbrüche dadurch zu haben. Aber es gibt garantiert ganz andere Motive – sie haben keinen Einfluss mehr auf die Künstler.“
Sie selbst hat sich nach Verhandlungen mit einigen großen Labels für das kleine unabhängige Label LL Records entschieden. Dort kann sie ihrem Kontrollbedürfnis frönen. „Ich will meine Musik machen, ob sie nun gerade angesagt ist oder nicht. Ich werde mich nicht zu einem weiteren Babe-Produkt zurechtstutzen lassen. Ich will ich selber bleiben und mich nicht von meiner Musik und meiner Persönlichkeit trennen.“
Sehr löblich. Allerdings gibt es viele brillante Künstler, die gerade aus Selbstschutz ihre öffentliche Figur strikt von der privaten Person trennen. Nein, das will sie nicht, sie schüttelt wild die Haare und wirkt plötzlich sehr jung und sehr idealistisch.
Auf dem PR-Foto posiert sie im schwarzen Ledermini mit schenkel-hohen Stiefeln und Stilettos; es fehlt eigentlich nur die aufgedruckte Telefonnummer. Ich wedle damit inquisitorisch vor ihr herum, weil sie so ganz anders vor mir sitzt, in Jeans und Pulli. Ach ja, das … na ja, das wäre halt nötig gewesen, um Aufmerksamkeit zu erregen … „Schau mich an, kauf die CD – aber hör sie dir dann auch an.“
Das klingt schon realistischer. Von wegen David gegen Goliath im großen, bösen Biz. Auch ein kleines Label kocht nur mit Wasser, und auch eine smarte Aufsteigerin setzt ihren Körper gezielt ein. „Das Foto“, necke ich, „sieht aber gar nicht nach einer Politologie-Studentin aus. Warum hast du das Fach eigentlich studiert?“ Sie ignoriert souverän die Untertöne und wirft sich kopfüber in gefährli-che Gewässer. „Mein Studium war mir wichtig als allgemeiner Hin-tergrund, als Wissenserweiterung. Als öffentliche Person ist man so was wie ein Satellit für die Welt, auch wenn man nur ein Stäubchen im Ganzen ist. Und wir sind verantwortlich für das, was wir den Leuten mitgeben. Veränderungen können durch Musik kommen. Man denke nur an Bob Dylan!“
Großer Name, große Hoffnungen. Dabei singt sie doch Zeilen wie „Daddy, I got a boyfriend, don’t know if you approve of him, I like him and he’s nice to me.“ Nun, das ist ihr wirklich selbst ein bisschen peinlich, liegt aber am Konzept des Albums, sagt sie.
Sowieso redet sie lieber über ihre Pflicht als Musikerin, knifflige Themen aufzugreifen. Sie erzählt davon, wie sie für Amnesty Inter-national gearbeitet hat, fürs Rote Kreuz und die Wohltätigkeitsorga-nisation Oxfam. Da stand sie also echt im Laden und verkaufte ge-brauchte Klamotten und grüne Glasvasen? „Ja, klar“, sagt sie nicht unstolz. „Ich habe auch Events organisiert und Benefiz-Sachen ge-macht. Ich finde das ganz wichtig.“ Und: Wäre das eine Alternative zum Job in der Popbranche? „Oh, nein! Ich würde immer mit Musik arbeiten wollen. Aber ich will in diesem Business auf meine Art Erfolg haben, mit meiner Musik.“
Irgendwo zwischen Bob Dylan und Michael Jackson, schießt es mir durch den Kopf. „Natürlich lehne ich mich an Große an, deren Musik beeinflusst mich“, sagt sie. „Ich liebe auch Musicals, vor allem die alten wie ,Oklahoma’. Ich benutze den Stil, der zum Song passt, den ich gerade schreibe. Ich mag eben Ella Fitzgerald und Limp Bizkit.“ In der Tat: „Britney mit Hirn“ ist wirklich ein Slogan zum Augenverdrehen.
Gabi Sabo