Andreas Wilson
Hat der ’ne Wut im Bauch! Agressiv, rebellisch, charismatisch – so zieht uns der schwedische Shooting-Star Andreas Wilson (24) im oscarnominierten Film „Evil“ in seinen Bann. Und dann sitzt da im Interview dieser harmlose Typ und trinkt stilles Wasser!
Andreas Wilson ist auch im echten Leben schlank, wendig, hat prägnante Gesichtszüge und diesen klaren Blick. Aber seine Augen bohren nicht, sie blicken freundlich und schüchtern. Er ist der nachdenkliche Junge von nebenan, der viel liest und seiner Mutter beim Einkaufen hilft. Dass ihn nun plötzlich fremde Menschen auf der Straße loben und er seinen Namen auf Unterarme begeisterter Fans schreiben muss, verwirrt ihn. Andreas Wilson gäbe seine nächste Gage dafür, jetzt nicht auf dieser Hamburger Hotelterrasse Interviews geben zu müssen. Er würde viel lieber mit seiner Freundin auf einer Schären-Insel spazieren oder zu Hause in Stockholm auf seiner Gitarre üben.
Aber Job ist Job. Also los: Woher nimmt er diese explosiven Gefühle, mit denen er sich als Erik gegen Willkür und Brutalität in einem Elite-Internat aufbäumt? „Ich selbst habe keine Erfahrung mit Gewalt. Ich musste also tief in mir wühlen“, sagt er, und seine Hand zittert leicht. „Zu meiner Überraschung waren diese Gefühle da. Das war toll, erschreckend und faszinierend.“ Vor der Kamera hat er sie so überzeugend gefühlt, dass er von der European Film Promotion zum schwedischen Shooting Star 2004 gewählt wurde und mit „Evil“ ständig auf Filmfestivals präsent ist: „Wir waren in Toronto, Viareggio, Rom, in Finnland und Norwegen, New York, Miami, Berlin, Los Angeles.“ L. A.? Bei der Oscarverleihung? „Ja.“ Wie war es, auf DEM roten Teppich zu gehen? „Oh, sehr besonders.“ Wie war es, die ganzen Stars live zu sehen? „Das war surreal.“ Hat dich einer der Stars überrascht? War jemand schöner, cooler oder größer, als gedacht? „Julia Roberts war sehr schön, Johnny Depp war cool, Bill Murray war sehr groß“, sagt Wilson, freut sich stumm bei der Erinnerung und verspannt sich wieder etwas in Erwartung der nächsten Frage. Er würde sich lieber unterhalten, statt möglichst druckreife Antworten zu formulieren.
Nächstes Thema: Werdegang. Nahe Stockholm mit zwei Brüdern aufgewachsen, die Mutter Töpferin, der Vater Architekt. Wilson sang schon mit sieben Jahren in einem Chor und entschied sich nach neun Schuljahren für eine dreijährige Spezialisierung auf Schauspiel. Er trat am Königlichen Theater auf, spielte Hauptrollen in Musicals wie „West Side Story“ und „Grease“. Seit seiner Rolle als Erik wird Wilson immer wieder mit James Dean verglichen. „Das ist ein großartiges Kompliment“, lacht er. „Ich mag die Stars der 50er Jahre wie James Dean, Paul Newman, Montgomery Clift. Besonders Clift ist mein .. das Wort Idol mag ich nicht … er ist meine Inspiration. Er spielt nicht nur eine Figur. Er ist diese Figur.“
Eine Inspiration, der Wilson auch in „Animal“ nacheifert, den er in Portugal mit Kollegen aus Frankreich und Großbritannien drehte. „Ein tolles Gefühl, all die Nationalitäten, all die Sprachen, die am Set gesprochen wurden.“ In „Animal“ spielt der schüchterne Schwede einen Wissenschaftler, es geht um DNS und Aggressionen und „die Tatsache, dass wir im Grunde noch immer Tiere sind.“ Schon wieder Gewalt – wie wäre es mal mit einer Komödie? „Also, Komödien wären toll. Das ist großartig, wenn der Funke überspringt. Ich denke, ich könnte das versuchen.“ Ist es denn ein erklärtes Ziel? „Ich setze mir keine Ziele. Ich bin schon ehrgeizig, aber ich nehme es, wie es kommt. Ich bin in optimistisch und freue mich auf das nächste Jahr.“ Eine kluge Art, das Leben zu nehmen – auch wenn Andreas Wilson dann noch mehr Interviews geben muss.
Constanze Rheinholz