Andrej Nikolaidis: Die Ankunft
Hierzulande mag man von Andrej Nikolaidis bislang nur wenig mitbekommen haben – in Montenegro, wo der Sohn griechisch-montenegrinischer Eltern lebt, ist der Schriftsteller und Kolumnist allerdings jemand, dessen Stimme gehört wird. Und wenn er seine Stimme erhebt, dann in der Regel wider Krieg und Nationalismus. Wie scharfzüngig er gegen die hässlichen Auswüchse der menschlichen Natur vorgeht, zeigt sein erster ins Deutsche übersetzte Roman „Die Ankunft“.
Was sich zunächst wie ein Kriminalroman anlässt, entwickelt sich zu einer Collage deprimierender Wahrheiten, die Nikolaidis schmerzvoll eindringlich ausgestaltet. Ausgangspunkt seiner Ausführungen ist der grausame Mord an einer Familie. Die zuständige Polizei der Kleinstadt ist mit ihren Ermittlungen schnell am Ende, doch der namenlose Ich-Erzähler, ein Privatdetektiv, ist vom Bruder eines der Opfer mit dem Aufspüren des Mörders betraut worden.
Unterdessen ereignen sich seltsame Naturphänomene: Während es mitten im Juni plötzlich zu schneien beginnt und der Fluss, über die Ufer tretend, die halbe Stadt überschwemmt, berichten die Medien auch aus anderen Teilen der Welt von Katastrophen und Absonderlichkeiten. Der augenscheinliche Zusammenbruch des meteorologischen Systems kann in den Augen aller nur eines bedeuten: den bevorstehenden Weltuntergang.
Während also der Rest des Ortes kollektiv ein letztes verzweifeltes Memento Mori in Form von Plünderungen und Besäufnissen ächzt, macht sich der Namenlose auf die Suche. Hinweise auf eine mögliche Erklärung der Tat erhält er per E-Mail – von seinem bis dato ihm unbekannten Sohn.
Eben diese Mails macht Nikolaidis zu einem zweiten Erzählstrang, in dem sich biografische Erinnerungen des Sohnes mit detailreichen historischen Erzählungen über religiösen Fanatismus verschränken. Der geschichtliche Abriss über Grausamkeiten, die unter dem pharisäischen Deckmantel der Absolution durch sektenhafte Zusammenschlüsse verübt wurde, verdichtet noch das mulmige Gefühl, welches bereits die Haupthandlung in tiefschwarzer Hardboiled-Manier etabliert hat.
Allerdings: Die Zweiteilung von Nikolaidis’ Geschichte mag zwar inhaltlich etwas hermachen, strukturell tut er sich mit dem Aufbau allerdings keinen Gefallen. Die historischen Ausschweifungen sind zugleich zu lang im Verhältnis zur Erzählgegenwart und zu kurz, als dass ihnen ein Eigenwert zuteil würde. „Die Ankunft“ als Roman zu bezeichnen, scheint beinahe verfehlt. Besser träfe es vielleicht: Essay noir mit Romananteil.