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Anger 77

Daß Thüringen mehr zu bieten hat als Mittelgebirge, Bratwurst und Holzschnitzereien, wußten wir ja. Daß außerordentliche Musik dazugehört, wissen wir jetzt. Denn bei Anger 77 kommt deutschsprachige Gitarrenmusik mit tiefsinnigen Texten zusammen, die Sänger und Texter Sigi mit lakonischen Witz und sprödem Charme versieht.

CITY.mag: Sigi, hat man als Ost-Band dieselben Bezugspunkte wie Westkollegen?

Sigi: Wir sehen uns nicht als Ostband. Wenn man hier aufgewachsen ist, ist man sicher davon geprägt, aber ich habe keine Lust, darauf herumzureiten. Ansonsten bin ich großer Fan von David Bowie, Drum & Bass und großen Songwritern.

CITY.mag: Ist es schwer, zu nationaler Bekanntheit zu kommen?

Sigi: Ja, es fehlt die Infrastruktur. Unser erstes Album war bei einem Indie-Label in Chemnitz im Mailorder-Katalog – und das war‘s dann. Das Kuriose ist: Vor der Wende war Thüringen eine Blues-Hochburg, jeder hat zur Gitarre losgelegt … Davon ist nur sehr wenig übriggeblieben. Es gibt keine Szene mehr. Das teilt sich jetzt in je ein Drittel HipHop, Crossover und Britpop.

CITY.mag: Ist es also allein an euch, Ost-Befindlichkeiten zu besingen?

Sigi: Das hat mit ostdeutschen Kleinstädten gar nichts zu tun. Das bezieht sich auf eine „Ostalgie“-Party irgendwo bei Passau, wo wir aufgetreten sind. Die sind da mit FDJ-Hemden herumgelaufen und haben die Puhdys gefeiert … Es gab in der DDR eine stärkere Absicherung, klar, aber ich bin froh, daß das vorbei ist. Den Titel haben wir von einem Anti-Drogen-Plakat der Caritas. Wir haben uns gesagt: Scheiße, wenn du hier aufwächst, dann kriegst du Drogenprobleme! Hier gibt es keinen Jugendclub und nur einmal im Jahr ‘ne Party, und die heißt dann auch noch Ostalgie … Wir haben uns sinnlos betrunken und die Leute beschimpft, weil wir auf ein Publikum aus Blauhemden nun wirklich keinen Bock hatten.

Interview: Rolf von der Reith

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