Wie die Rentner: Severin und Christopher von AnnenMayKantereit im Interview
Beim Pendeln zwischen Lützerath und der heimischen Kuchentafel ist AnnenMayKantereit klargeworden, wohin ihre Reise noch gehen soll.
Severin, Christopher, euer neues Album ist im Vergleich zum Vorgänger „12“ deutlich unbeschwerter und weniger politisch. Dennoch seid ihr etwa zuletzt in Lützerath aufgetreten. Wie passt das zusammen?
Severin Kantereit: Bei „12“ war viel Konzept dahinter. Durch die Situation sind uns Themen wichtig gewesen, die vielleicht etwas schwerer sind. Wie alle waren wir einfach nicht so happy eingestimmt, glaube ich. Dieses Album hat es jetzt möglich gemacht, viel unbeschwerter an die Songs zu gehen. Es ist für uns auch so, dass nicht immer alles in den Songs stattfinden muss. Zu politischen Themen beziehen wir etwa Stellung, indem wir an bestimmten Orten sind und dort Musik machen. Das ist der Weg, den wir für uns gefunden haben, um Sachen zu supporten, ohne diese ganz explizit in der Musik stattfinden zu lassen.
Ohne Tiefgang ist euer Album aber nicht. Der Song „Heute Abend soll es regnen“ beschäftigt sich mit einer Suchterkrankung und damit auch mit mentaler Gesundheit.
Kantereit: Also, das lief nicht nach Plan: Ah ja, Mental Health muss noch irgendwie auf’s Album. Wir haben den Song zusammen gespielt, und das hat bei uns total was bewegt.
Christopher Annen: Voll. Wir sind befreundet, machen Musik zusammen, was sehr intensiv, kreativ und emotional ist. Wir haben zusammen eine Firma, und da ist es klar, dass wir über sowas sprechen müssen und in gewisser Weise eben auch aufeinander aufpassen.
In vielen Songs geht es auch um euer Aufwachsen in Köln. Für den Aufnahmeprozess habt ihr euch in eurem Probenraum einquartiert, während immer wieder auch Freund:innen vorbeigeschaut haben. Was bedeutet Zuhause heute für euch?
Kantereit: Für mich sind es auf jeden Fall die Menschen um einen herum. In Köln ist viel Freundeskreis, viel Familie, und deshalb ist es ein Ort, an den wir zurückkommen. Ob das jetzt für ein Album ist, ob das mal wieder für eine längere Zeit ist, oder ob das irgendwann wieder ganz ist – das weiß ich noch nicht.
Annen: Als wir in Köln aufgenommen haben, war das fast schon wie ein privates Minifestival, bei dem die Leute nicht campen, sondern einfach so am Nachmittag vorbeikommen.
Kantereit: Für Chrisi war es auch sehr wichtig, dass es regelmäßig nachmittags Kuchen gibt …
Annen: Und dabei wird dann Tour de France geschaut! (lacht)
Kantereit: Da haben wir dann nicht wehmütig in die Vergangenheit geguckt, sondern eher 30 Jahre in die Zukunft. Mit Kaffee und Kuchen haben wir es wie die Rentner gemacht.
Wo seht ihr euch denn in 30 Jahren?
Annen: In 30 Jahren … sehe ich mich genau so. Ich gucke raus, mache Musik, und dann gibt es Kaffee und Kuchen. (lacht) Alles perfekt so.
Dann seid ihr ja quasi schon angekommen.
Kantereit: Dazwischen darf gern noch viel passieren. Aber irgendwann zurückfinden, das ist schon gut.