Das Boomer-Dilemma
Die Arctic Monkeys veröffentlichen ein Live-Benefizalbum aus der Royal Albert Hall. Sind die Helden der Millennial-Jugend jetzt mit Bono gleichzusetzen?
Millennials, die stoisch auf die 30 zumarschieren oder sie gar schon überschritten haben, werden sich vielleicht wundern: Die Arctic Monkeys bringen ein Charity-Livealbum eines Konzerts in der Royal Albert Hall raus. Irgendwie klingt das falsch – mehr das Territorium von U2 oder Sting. Wenn man sich allerdings kurz vergegenwärtigt, was alles passiert ist, seit das Quartett aus Sheffield im Jahr 2006 mit „Whatever People say I am, that’s what I’m not“ seine erste Visitenkarte abgegeben hat, ist dieser Move durchaus stimmig.
Arctic Monkeys: Es klappt auch ohne Nostalgiebrille
Nicht nur, dass alle ihre Alben konsequent auf Platz 1 der UK-Charts gelandet sind – spätestens mit dem 2013er Album „AM“ hat die Band um Alex Turner es auch international auf das Level von Royal-Albert-Hall-Charity-Livealben gebracht. Ihr Sound hat sich seitdem meilenweit vom wunderbar hemdsärmeligen, pubertär-neurotischen Indierock ihres Debüts entfernt. Jetzt bestätigen die Arctic Monkeys also auch ganz offiziell das, was man eigentlich schon weiß, seit „Suck it and see“ mit den Rockstar-Bedenken von „Favourite worst Nightmare“ und „Humbug“ aufgeräumt hat. Überdies haben Alex Turner und Co. einen guten Grund: Jedweder Erlös des Konzerts aus 2018, das hier zu hören ist, ging an die Charityorganisation War Child UK, die Kindern in Kriegsgebieten hilft.
Nun ist die Situation seit Beginn der Coronapandemie nicht eben besser geworden; also wird die Aufnahme des Konzerts als Doppelalbum erscheinen, und wieder werden alle Einnahmen an War Child UK gehen. Hört man „Live at the Royal Albert Hall“, sind dann auch alle Bedenken wie weggeblasen. Nicht nur, dass „Cornerstone“ und „I bet you look good on the Dancefloor“ auch ohne Nostalgiebrille noch funktionieren: Alex Turner spart sich zudem jegliche pathetische Selbstdarstellung. „Whatever People say I am, that’s what I’m not“ haben sie dereinst proklamiert. Das gilt auch heute noch, wenn man als alternder Millennial glaubt, die Arctic Monkeys wären im Cringe-Rock-Establishment angekommen.
Live at the Royal Albert Hall erscheint am 4. Dezember.