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Auf in den Krampf: „Les Métanuits“ von Emile Parisien und Roberto

Emile Parisien & Roberto Negro loten die Grenzen der E-Musik aus.
Emile Parisien & Roberto Negro loten die Grenzen der E-Musik aus. (Foto: Jean-Pascal Retel)

Wo Emile Parisien draufsteht, ist Entspannung drin? Gemeinsam mit dem Pianisten Roberto Negro hat sich der Saxofonist nun György Ligeti vorgenommen, um diese Regel zu brechen.

„Les Métanuits“ von Emile Parisien und Roberto Negro: Out now!

Emile Parisiens Sopransaxofon ist in der Regel ein Ohrenschmeichler. Der Ton des Franzosen ist organisch, eskaliert fast nie und mag zu der Aussage verleiten: Wo Parisien draufsteht, ist Entspannung drin. Nun hat sich Parisien mit dem italienischen Pianisten Roberto Negro das Streichquartett „Métamorphoses nocturnes“ von György Ligeti vorgenommen. Anlass: Der Komponist wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden.

Parisien und Negro verbindet das Interesse an Ligetis Klangflächen-Musik, seinen kompositorischen Experimenten mit Mikropolyphonie und Mikrotonalität. Klingt wie? Nun, sagen wir: fordernd. Wer sich ohne nähere Kenntnis des Lebenswerks Ligetis in das ACT-Album „Les Métanuits“ stürzt, mag sich zunächst überfordert wähnen: Tonal gibt es da in der ersten Improvisation zunächst nicht viel, an dem man sich festhalten könnte, auch wenn das Stück munter als Allegro Grazioso ausgeflaggt ist. Da muss man sich ranhören, Stück für Stück, um dann zwischendurch auch einmal mit lyrischen Ruhepunkten belohnt zu werden wie etwa im „Tempo di Valse“.

Emile Parisien und Roberto Negro knüpfen sich György Ligeti vor

Das Durchatmen ist indes nicht von langer Dauer: In voller Albumlänge sind die „Métanuits“ für Hörerinnen und Hörer durchaus eine ebenso große Herausforderung, wie sie es für Parisien und Negro im Aufnahmeprozess gewesen sein müssen. Es drängt sich bei der Auseinandersetzung mit dieser Musik auf, sich mit der Vita György Ligetis zu beschäftigen und dabei viel über die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts zu lernen.

Künstlerisch im Spannungsfeld zwischen Bartók und Stockhausen verortet, ist Ligeti immer ein Komponist geblieben, der für progressive Künstlerzirkel interessanter ist als für ein großes Publikum – ein Avantgardist, der mit großer Ernsthaftigkeit die E-Musik in immer neue Dimensionen zu treiben versucht hat. Vielleicht wäre dieser György Ligeti nie bekannt geworden, hätte nicht ein gewisser Stanley Kubrick die Musik des Komponisten in seinen Filmen eingesetzt. Wer sich durch die „Métanuits“ hört, dürfte den einen oder anderen Schweißtropfen vergießen und vielleicht sogar Muskelkrämpfe bekommen. Am Ende belohnt ein kurzes Largo für diesen intensiven Kraftakt und macht vielleicht sogar Lust auf einen zweiten Durchgang. Vielleicht.

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