Ayak: Schokoladenseiten
Die Londoner Sudanesin Ayak ist 19 und ein kommender Soulstar. Auch an ihrer Vorliebe für Lübecker Marzipan dürfte die Karriere nicht scheitern.
Wow! Das ist das Einzige, was einem einfällt, als Ayak den Raum im Hamburger Great Western Hotel betritt. Die Gäste, die hier in alt-modischen Holzstühlen ihren Nachmittagskaffee schlürfen, verrenken sich den Hals. Ayak ist groß. Sehr groß. Mit Stöckelschuhen sogar so groß, dass der Türrahmen zur ernsten Gefahr für ihr hübsches Köpfchen wird. Und sie ist dunkel. So dunkel, dass das Weiß in ihren Augen leuchtet. Eine freundliche, fast kumpelhafte Begrüßung, dann sagt sie selbstbewusst: „Ich falle immer auf. In diesem gestylten Aufzug wohl besonders.“ Natürlich gab es auch Zeiten, in denen Ayak Probleme damit hatte, „langsam alle zu überragen“, sagt sie in Erinnerung an ihre Schuljahre. „Aber heute bin ich happy, denn es hebt mich ab von der Masse. Und ich kann noch etwas sehen, wenn andere schon auf Zehenspitzen stehen.“ Lautes, dunkles Lachen. Wieder verrenkte Hälse der Tischnachbarn.
Ayak kommt aus dem Sudan, wo kurz vor ihrer Geburt der Krieg ausbrach. Als sie sieben Monate alt war, verließ ihre Familie die Heimat in Richtung London. „Wegen der politischen Situation war ich seither nie wieder im Sudan“, erklärt sie. „Wir besitzen aber zu Hause jede Menge afrikanische Accessoires und Möbel. Und meine Mutter hat mir viel von der Kultur und meinem südsudanesischen Stamm erzählt, den Dinkas. Da sind alle groß und schwarz“, sagt sie und verweist auf ihre Cousine, das weltbekannte Model Alek Wek. Gesegnet fühlt sie sich, weil „Gott mir ein neues Leben gegeben hat. Denn auch ich hätte leicht unter den Hungernden im Kriegsgebiet sein können.“
Nicht umsonst tragen die Songs ihres Debüts Titel wie „Don’t give up“ oder „Keep on smiling“. „Ich lasse mich immer von gerade Er-lebtem inspirieren“, erklärt sie. „Den Song ,Keep on smiling’ habe ich geschrieben, um über den Selbstmord eines sehr guten Freundes hinwegzukommen. Es war hart für seine Familie – und für mich.“ Ayak hält inne, und dann passiert das, was unterm Zwang zur Professionalität auch in 1000 Interviews normalerweise nicht passiert: Ayak weint. „Sorry“, haucht sie. Ein wenig hilflos greift die Interviewerin nach ihrer Hand.
Einige Minuten später aber kann sie schon wieder lächeln und über weniger wichtige Themen reden: Süßigkeiten. Wenn man sein Album in einer musikalischen Hochburg wie dem norddeutschen Lübeck aufnimmt, bleibt das eben nicht folgenlos. „Die Tontechniker löffelten Nutella aus Gläsern, während ich haufenweise Marzipan in mich reinschaufelte“, gesteht sie. Zum deutschen Plattendeal kam sie über ihren Bruder. „Er lebt in Kiel und stellte mich einem DJ vor. Der wiederum einem Produzenten. Und der einem Labelmitar-beiter“, erklärt sie die glückliche Fügung des Schicksals. „In Deutschland aufzunehmen, wo ich die Sprache nicht beherrsche und meine Freunde nicht um mich habe, war eine Herausforderung für mich. Ich wusste: If I can make it there, I’l make it anywhere, verstehst du?“
Klar doch! Denn Ayaks Debüt „Voice in my Head“ bietet erstklassi-gen R&B à la Mary J Blige, Reminiszenzen an Shirley Bassey, an Pop-, Soul-, Chill- und Latinsounds, ohne sich jedoch in gesichtslosem Black-Music-Allerlei zu verlieren.Langeweile und Albumfüller muss man woanders suchen, und deshalb wird man von Ayak noch viel hören. Was bedeutet eigentlich ihr Name? „Ayak ist das türkische Wort für Füße, und meine sind ziemlich groß geraten“, lacht sie. „Aber das ist nur eine Bedeutung. In Dinka steht es für die Trockenzeit, in der meine Urgroßtante das Licht der Welt erblickte. Stammesgemäß wurde ihr Name an mich weitergegeben.“
Und auf Bengalisch heißt Ayak „eins“; das wusste sie noch gar nicht. Jetzt ist ist völlig aus dem Häuschen. Denn „eins“ klingt ziemlich klasse, wenn man sich vorgenommen hat, ein Star zu werden.
Katja Schwemmers