Bad Religion
Fünf Jahre hat sich die amerikanische Punkrock-Band für ihr neues Studioalbum Zeit gelassen. Auf „The New America“ wirft Sänger und Texter Greg Graffin einen persönlichen Blick auf das Ende des 20. Jahrhunderts
CITY.mag: Mr. Graffin, der Titel des Albums klingt sehr ironisch …
Greg Graffin: Eigentlich ist das gar nicht ironisch gemeint. Ich blicke zurück auf die letzten fünf Jahre. Alles, was beispielsweise 1995 war, erscheint heute bereits sehr alt. Es war eben im letzten Jahrhundert. „The New America“ ist die Bilanz meines gegenwärtigen Denkens, und ein wenig auch ein Blick in die Zukunft.
Für mich war das 20. Jahrhundert ein sehr klassisches. Ich denke, es ist nun Zeit, ein bisschen über unsere Probleme Gedanken zu machen, die wir in diesem Jahrhundert verursacht – und vor allem, wie wir aus dem angerichteten Schlamassel wieder herauskommen.
CITY.mag: Blicken Sie optimistisch in dieses neue Millennium?
Graffin: Ich bin grundsätzlich optimistisch und alles andere als ein Schwarzseher. Ich sehe Veränderungen nie von vornherein als etwas gutes oder etwas schlechtes. Veränderungen sind Veränderungen. Beurteilen können wir dies erst mit Abstand.
CITY.mag: „The New America“ haben Sie in einem Studio auf Hawaii aufgenommen. Ist das ein guter Ort für Punkrock?
Graffin: In gewisser Weise schon. Du kannst am Morgen surfen, du wirst braun und musst nicht so viel arbeiten. (lacht) Aber in der Tat es nicht gerade ein Punk-Ort, aber unser Produzent Todd Rundgren hat eben sein Studio dort und er hat schließlich das Sagen.
CITY.mag: Bad Religion ist jetzt seit 20 Jahren im Musikgeschäft. Ist Punkrock nicht eine Form von Musik, die man eigentlich eher jungen Rebellen Anfang Zwanzig abnimmt und nicht gutsituierten Herren Mitte dreißig?
Graffin: Ich denke nicht, dass Alter etwas mit Punk zu tun hat. Ich habe gerade einen Text für unsere Homepage bad-religion.com geschrieben, in dem ich versuche zu erklären, was Punk eigentlich bedeutet. Es hat weder etwas mit Style noch mit Mode zu tun. Man muss Punk von diesen Äußerlichkeiten abstrahieren, dann wird er auch völlig zeitlos. Punk ist eine Art zu denken.
CITY.mag: Sie machen ja nicht nur Musik sondern haben Paläontologie studiert und sind als Dozent an der Cornell-Universität in New York. Unterrichten Sie weiterhin?
Graffin: Nicht mehr viel. Ich habe mir eine Auszeit genommen, sonst würde ich das mit der Musik gar nicht schaffen.
CITY.mag: Muss man Sie sich da mit Jackett und Krawatte vorstellen?
Graffin: Nein, ich trage kein Jackett und erst recht keine Krawatte.
CITY.mag: Und nach den Vorlesungen müssen Sie dann Ihre Platten signieren?
Graffin: Nein, nein. Es sind sehr ernsthafte Studenten. Die möchten lernen.
CITY.mag: Aber Sie wissen von Ihrem Doppelleben?
Graffin: Natürlich wissen die das.
Interview: Axel Schock