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„Balloonerism“ von Mac Miller: Ein Paradebeispiel posthumer Veröffentlichungen

„Balloonerism“, das zweite posthume Album von Mac Miller, ist am 17. Januar 2025 veröffentlicht worden
„Balloonerism“, das zweite posthume Album von Mac Miller, ist am 17. Januar 2025 veröffentlicht worden (Jimmy Murton)

Am 17. Januar, auf den Tag genau fünf Jahre nach „Circles“, veröffentlicht Mac Millers Familie das zweite posthum Album von Mac Miller. Warum „Balloonerism“ kein billiger Cashgrab ist, sondern ganz im Sinne des verstorbenen Rappers ist, liegt auch an der Art und Weise, wie die Hinterbliebenen mit seiner Musik umgehen.

Mit posthumen Veröffentlichungen verstorbener Künstler:innen ist es so eine Sache: auf der einen Seite freut sich die Nachwelt über bisher noch ungehörte Musik, auf der anderen Seite gibt es Beispiele zuhauf für ehemalige Wegbegleiter:innen, die sich mit dem großen Namen noch einmal ein goldenes Näschen verdienen wollen. Man denke da an XXXTentacion, wo die Hinterbliebenen gerne mal lieblos zusammengewürfelte Studioschnipsel auf 1:40 min zusammen gepresst haben, an Juice WRLD und die x-te Variante zu sagen, dass Legenden niemals sterben oder an Falco und das 2009er-Fiasko „Spirit never dies“. Ein Ausnutzen des Umstandes, dass Fans den betreffenden Künstler:innen und ihrer Musik hinterhertrauern, kann hier zumindest nicht ausgeschlossen werden.

Ganz anders ist es im Falle Mac Miller. Der im Alter von nur 26 Jahren verstorbene Rapper ist im September 2018 an einer Überdosis falsch deklarierter Drogen gestorben – inmitten der Arbeiten an dem Zwillingsalbums „Circles“ des nur einen Monat zuvor veröffentlichten letzten Albums „Swimming“. Dass dieses Album, das zum Zeitpunkt des Todes schon in weit fortgeschrittenem Stadium gewesen ist, dann zwei Jahre später offiziell veröffentlicht wurde, ist Ergebnis einer selten so gesehenen respektvollen Verarbeitung seiner künstlerischen Vision. Der ausführende Produzent Jon Brion wurde mit der Fertigstellung des Albums betreut, das er ohnehin durch den ganzen Prozess begleitet hat.

Das Mac Miller Estate führt mit höchster Umsicht sein Schaffen fort

Grabraub kann man den Hinterbliebenen von Mac Miller also so ganz und gar nicht vorwerfen. Die alleinige Entscheidungsgewalt über die Handhabung der offiziellen Releases liegt in den Händen seiner Familie, namentlich seiner Mutter Karen Meyers und seinem Bruder Miller McCormick, die als The Mac Miller Estate die Geschicke rein familienintern leiten und das ehemalige Label Warner Records lediglich als Distributor behalten haben. In den mehr als sechs Jahren seit dem Tod Mac Millers hat das Estate schon vielfach bewiesen, wie respekt- und liebevoll sie mit dem Erbe des Rappers umgehen: Da waren die beiden losen Singles „That’s life“ (mit 88-Keys & Sia) und „Time“ (mit Free Nationals und Kali Uchis), die von den jeweiligen Produzent:innen kurz nach dem Tod sattelfest gemacht wurden und mit dem Go der Familie veröffentlicht wurden. Als ehemalige Leaks schon in den Weiten des Internets herumschwirrend, hat sich bereits hier abgezeichnet, dass die Familie einige Veröffentlichungen dann lieber finalisiert und offiziell veröffentlicht haben möchte.

So sind dann auch größere – und von der äußerst aktiven Mac-Fanbase sehnlichst herbeigewünschte Projekte angegangen worden. Das 2014er-Klassiker-Mixtape „Faces“ etwa, das im Zuge der Mixtape-Flut erschien und wie sämtliche weitere Vertreter dieser Gattung vor einem riesigen Problem stand: Die verwendeten Samples sind zu Großteilen nicht offiziell nutzbar gewesen. Von daher mäanderte das Tape seit Jahren auf DatPiff, YouTube oder Soundcloud, fand aber nie seinen Weg in die Plattenläden oder Streaminglisten. Das Estate jedoch arbeitete im Hintergrund fleißig daran, die vielen Samplefragen zu klären und konnte schließlich 2021 einen der größten Fanservices überhaupt präsentieren. Auch das Re-Release des ursprünglich 2011 veröffentlichten Mixtapes „I love life, thank you“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, wenngleich dieses Tape weit weniger heiß erwartet wurde.

„Balloonerism“ bleibt der Linie treu

„Balloonerism“, die nun erschienene zweite posthume Platte des Pittsburgh-Rappers, ist ein weiterer Beleg dafür, wie konsequent liebevoll sein Vermächtnis behandelt wird. Unter Fans ist das Projekt längst bekannt gewesen und kursierte in Form von Leaks auf Soundcloud, Google Drives und anderen Plattformen. Zu den Songs des Albums gab es durch ehemalige Wegbegleiter:innen wie DJ Clockwork oder E.Dan immer wieder lose Tracklists zu hören, die jedoch nie offiziell bestätigt wurden. Das nun offizielle Artwork der Platte wurde erstmals im August 2018 – ein Monat vor Mac Millers Tod – von dem Künstler Alim Smith geposted, das der Rapper mit den Worten „Need this“ kommentierte und schon damit signalisierte: Irgendwann wird dieses Album nochmal das Licht der Welt erblicken. Bekannt ist, dass der Release von „Balloonerism“ immer wieder aufgeschoben wurde, weil andere Projekte wie „GO:OD AM“ den Vorrang einer Veröffentlichung erhielten. Aus dem Kopf war es aber nie. Auch wenn Mac diese nie selber bewerkstelligen konnte, seine Familie hat in Feinstarbeit den vorher geknüpften Rahmen zu Ende gedacht und elf Jahre nach den ersten Albumarbeiten alles finalisiert.

Nun ist es glattgebügelt, schick aufpoliert durch Mix und Mastering und in eine offizielle Form gegossen worden. Nach allem, was man in den sechs Jahren nach dem Tod mitbekommen hat, ist das ganz im Sinne von Mac Miller ist, der sich schon zu Lebzeiten wieder und wieder dafür ausgesprochen hat, dass ihm das Hören seiner Musik am wichtigsten sei – ganz egal, auf welchem Wege. Für manche Menschen mag es sich trotzdem falsch anfühlen, Musik zu konsumieren, die nicht vom Künstler selber veröffentlicht wurde – aber immerhin wirkt jeder einzelne Schritt seit seinem Ableben respektvoll durchdacht und als kein billiger Cashgrab intendiert zu sein.

Was hat das Estate noch vor?

Wie viel von den tausenden Songs und Projekten, die Mac Miller zeit seines Lebens aus verschiedenen Gründen unveröffentlicht gelassen hat, noch released wird, ist unklar. Gemutmaßt wird allerdings noch, dass mindestens zwei Projekte zu Lebzeiten so gut wie fertiggestellt wurden. Glaubt man den vielen Stimmen des Internets, gibt es noch mindestens eine Chance auf  „Pink Slime“ mit Pharrell Williams und „MacLib“ mit Madlib, die wie „Balloonerism“ schon weit fortgeschritten waren, aber nie den richtigen Zeitpunkt einer Veröffentlichung gefunden haben. Vielleicht findet sich genau dieser in den kommenden Jahren. Nächster Halt könnte aber erstmal das baldige zehnjährige Jubiläum von dem 2015er-Album „GO:OD AM“ sein, das in einer Art Deluxeversion bisher ungehörte Songs aus den damaligen Aufnahmen enthalten könnte – wie etwa den seit Jahren herbeigewünschten Song „Pure“. Es wäre der nächste Fanservice aus der Vielzahl an Wünschen, die die Hinterbliebenen Mac Millers bereits erfüllt haben.

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