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Barbara Auer: „Die wunderbare Landschaft in der Uckermark!“

Barbara Auer spielt in Christian Petzolds Drama „Miroirs No. 3“ eine der Hauptrollen. Der Film kommt jetzt in die Kinos.
Barbara Auer (vorne auf dem Rad) spielt in Christian Petzolds Drama „Miroirs No. 3“ eine der Hauptrollen. Der Film kommt jetzt in die Kinos. (Foto: © Schramm Film)

Barbara Auer spielt In Christian Petzolds neuem Film „Miroirs No. 3“ eine der Hauptrollen. Doch welche Rolle in diesem so feinfühligen wie lange Zeit undurchschaubaren Drama spielt ein Pflaumenkuchen?

Barbara Auer, welche Assoziationen kamen Ihnen, als Sie das Drehbuch zu „Miroirs No. 3“ zum ersten Mal lasen?
Barbara Auer: Das kann ich nicht genau sagen, denn Christian Petzold hat uns bereits von der Idee erzählt, als Matthias Brandt und ich unseren letzten „Polizeiruf“ mit ihm drehten. Da war die Geschichte noch eine andere, aber auch da ging es um Familie und um Verlust. Ich hatte also schon eine Idee davon, bevor ich das Drehbuch las.

Ist das immer so bei Christian Petzold?
Auer: Ja. Er erzählt oft vorher die Geschichten, die er fast fertig im Kopf hat und schreibt dann das Drehbuch recht schnell. Und meist ist es ziemlich genau so, wie er es vorher beschrieben hat.

Christian Petzold hat in einem Interview gesagt, das Ende von „Miroirs No. 3“ sei von ihm ganz anders geplant gewesen, aber seine Figuren seien so viel klüger als er selber, so dass er den Schluss habe ändern müssen.
Auer: Tatsächlich war der Schluss ein anderer. Es war aber nicht so, dass das Ende im Drehbuch nicht stimmig war. Das Buch war rund und auch der Schluss schien folgerichtig, Christian schreibt die Bücher fast schon literarisch, er beschreibt die Innenwelt seiner Charaktere, ihre Wahrnehmung, Gedanken und Gefühle. Aber im besten Fall verselbständigen sich dann die Figuren im Lauf der Arbeit, werden lebendig und bekommen ihr Eigenleben. Und so war das hier auch.

Die Änderung fand nach Drehende statt?
Auer: Ja, die Entscheidung ist im Schneideraum gefallen. Und dann wurde die jetzige Schlusssszene in Berlin nachgedreht.

Was gab er zu Beginn der Dreharbeiten dem ganzen Team mit auf den Weg, was die Stimmung des Films ausmacht? Denn die Stimmung ist ja das ganz Besondere an „Miroirs No. 3“, da bleibt so vieles unausgesprochen, schwingt aber immer mit.
Auer: Zuerst einmal hat man bei allen Filmen von Christian Petzold eine besondere Vorbereitung. Er trifft sich einige Zeit vorher mit allen Schauspielern und das heißt dann wirklich: alle sind dabei, auch die kleinsten Rollen. Man trifft sich für zwei bis drei Tage, hat Lese-, Kostüm- und Maskenproben, verbringt Zeit miteinander, schaut Filme, isst gemeinsam etc.

Was ist das Besondere?
Auer: Christian erzählt dabei ganz viel und er ist ein großartiger Erzähler, opulenter als in seinen Filmen. Bereits da gibt er uns Schauspielern also viele Impulse, Bilder und Inspirationen und schafft dadurch für alle Beteiligten ein Gemeinschaftsgefühl. Ich möchte jetzt nicht esoterisch klingen, aber Schauspieler-Arbeit ist ja energetisch. Christian schafft es, dass wir alle auf einem Level sind, sowohl hinsichtlich der Information als auch der Energie – ich finde jetzt kein anderes Wort. Man bekommt ein Gefühl von Komplizenschaft. Und dazu kommt dann noch etwas.

Ja?
Auer: Sie haben von der besonderen Stimmung gesprochen, die im Film ohne viele Worte mitschwingt. Diese Stimmung kam auch durch die wunderbare Landschaft in der Uckermark. In Petzold Filmen spielen die Orte immer eine ganz wichtige Rolle. Und so spielt dieses Haus, in dem meine Figur Betty wohnt, auch eine Art Hauptrolle. Christian fuhr mit uns im Kleinbus im herrlichen Spätsommer also durch die Uckermark und zeigte uns vor den Dreharbeiten alle Orte, an denen wir drehen sollten.

Bitte nicht lachen, wenn ich jetzt etwas über Ihre Figur der Betty erzähle, und zwar den ersten Eindruck, den sie beim Sehen des Films bei mir auslöste. Wie sie da vor ihrem Haus stand, weckte eine ungute Assoziation: Ich fühlte mich an den Horrorfilm „Misery“ und an Kathy Bates erinnert. Die Assoziation verschwand schnell und machte der Gewissheit Platz, dass Betty viel Leid in sich trägt, von dem ich nichts weiß. Und doch, für wenige Minuten war dieses Gefühl bei mir da, verursacht durch die Undeutbarkeit Ihrer Figur.
Auer: (lacht) Das kann ich nachvollziehen, Sie sind nicht der erste, der mir das sagt. Ich fand es seltsam, als ich während des Drehens von jemandem diese Rückmeldung bekam, auch wenn ich das gerne als Kompliment nehme für ein neues Rollenfach. Später, beim Schauen des Films konnte ich es verstehen. Beim Spielen war ich noch viel zu sehr mit Bettys Trauma beschäftigt.

Je mehr Interaktion es zwischen Betty und Laura gab, desto mehr schwand dieses Gefühl und machte der Erkenntnis Platz, dass sich hier zwei Frauen getroffen haben, in denen sehr viel geheimnisvoller Schmerz steckt. Während man im Lauf des Films den Schmerz Bettys zumindest zu verstehen meint, bleibt der von Laura bis zum Ende undurchschaubar. Die Uneindeutigkeit bis zum Schluss macht für mich das Besondere des Film aus. War dieser Schwebezustand so geplant?
Auer: Das kann ich Ihnen nicht beantworten, beim Drehen haben wir klare Verabredungen. Als ich den fertigen Film zum ersten Mal sah, war ich erstaunt, wie tröstlich er ist, weil ich die Geschichte in der Vorbereitung und bei der Arbeit daran als viel düsterer empfand.

Der Film geht sehr zärtlich mit seinen Figuren um. Und auch in der zerrütteten Familie herrscht ein sehr zärtlicher Umgang miteinander. Bettys Mann Richard und ihr Sohn Max sind aus dem Haus ausgezogen und leben in ihrer Autowerkstatt. Sie konnten es mit Betty nicht mehr aushalten, sie konnten mit ihrer Trauer nicht mehr als Familie leben. Gleichzeitig ist der Umgang miteinander von unbedingter Zärtlichkeit bestimmt, und die Kamera fängt das sehr feinfühlig ein.
Auer: Ja, das stimmt.

Was hat Christian Petzold den Schauspielern da mitgegeben?
Auer: Diese Zärtlichkeit wurde im Vorfeld nicht so benannt, allerdings sehr wohl die Vorsicht und Sorge, mit der Richard und Max ihr begegnen. Betty war an ihrem Kummer und Schmerz zerbrochen und hat es nicht mehr geschafft, ins normale Leben zurückzukommen. Sie verlässt ja auch kaum das Grundstück, Richard und Max müssen sie versorgen. Erst als Laura bei ihr ist und sie das Fahrrad wieder hervorholt und sagt, ich fahre jetzt ins Dorf und gehe einkaufen, ändert sich was.

Sie ist ja schon so verhaltensauffällig, dass Leute aus dem Dorf, die am Haus vorbeikommen, anhalten und zu ihr rüberschauen. Und das ändert sich erst etwas, als Laura bei ihr einzieht.
Auer: Christian hat uns gesagt, dass Laura und Betty unausgesprochen einen Vertrag schließen, als sie sich zum ersten Mal in die Augen schauen. Sie stellen sich einander nur mit ihren Vornamen vor, erzählen sonst nichts voneinander. Und dennoch ist sofort klar, die eine ist die Mutter, die andere die Tochter.

Man merkt, wie diese Familie mal war und welche bitteren Konsequenzen ihr Verlust mit sich brachte. Man sieht aber auch, wie liebevoll alle trotzdem immer noch miteinander umgehen und kann in die Vergangenheit sehen: So war diese Familie mal.
Auer: Ja, das stimmt. Es war uns auch beim Spielen immer bewusst, dass sie einmal eine ganz tolle, glückliche Familie gewesen waren. Richard war aus dem Dorf, Betty eine Zugezogene, sie war Grundschullehrerin und das sehr gerne. Dieser Familie ging es gut, sie war besonders in dieser dörflichen Umgebung. Und dann hatten sie auch noch diese schöne Terrasse und man sah dieses Familienglück von der Straße aus, wo später immer wieder Leute stehenbleiben und rüber schauen. Und natürlich war bei den anderen auch immer ein bisschen Neid dabei, wenn sie das sahen. Und dann ist diese Familie zerbrochen und die Leute konnten sagen: Guck, denen geht es jetzt auch schlecht.

Wie die Familie mal war, kann man an den wenigen Sätzen einer Kaffeeplauderei erkennen mit dem Motto: Pflaumenkuchen mit Hefe- oder mit Mürbeteig?
Auer: (lacht anhaltend)

Als die Familie zum erstem Mal vor Laura auftaut und normal agiert, gibt es diese amüsante Zwiegespräch zwischen Mutter und Sohn, wie der beste Pflaumenkuchen geht.
Auer: Ja, das war improvisiert.

Ihre Figur Betty sagt, Hefeteig hätte einen muffigen Geschmack: Stand das so im Drehbuch?
Auer: Nein, ich mag keinen Hefeteig! (lacht) Da konnte ich das endlich mal loswerden!

 

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