Behind the Scenes: Was macht eine Szenografin im Theater?
Während die Theaterhäuser geschlossen bleiben, führen wir hinter die Kulissen. Was dort eine Szenografin macht, weiß Hanna Lenz genau.
Hanna, du wirst oft nach deinem Beruf gefragt, wie beschreibst du den Begriff der Szenografie?
Hanna Lenz: Für mich ist Szenografie ein erweiterter Raumbegriff. Es geht um einen narrativen Raum als eigenständige Ebene, der mehr ist als Dekoration. Wenn ich mich räumlich ausdrücke, gebe ich dem Raum eine eigene Sprache, mit der er etwas erzählt und sich auch während des Stückes verwandeln kann.
Dann kann man also von der Dramaturgie eines Raumes sprechen.
Hanna: Definitiv! Dramaturgie ist die zeitliche Ebene, und die ist genauso wichtig wie alle anderen Elemente eines Stückes, wie Regie, Musik, Licht oder die Spieler*innern. Jedes Element hat eine eigenständige Bedeutung. So wie die Lichtsetzung das Stück dramaturgisch beeinflusst und zum Mitspieler wird, kann auch die Szenografie eine figürliche Rolle spielen.
Wie gehst du bei der Planung deiner Szenografie vor?
Hanna: Beim Schauspiel gibt es in der Regel erst mal einen Text, bei Tanz oder Performance oft nur ein Thema. Dann beginnt meine Recherche, dabei geht’s viel ums Lesen und Bildersammeln. Das können auch Ausstellungen oder Filme sein, die viel mit Atmosphäre arbeiten. Der anschließende Austausch mit der Regieposition ist meistens sehr fruchtbar, weil dabei zwei Perspektiven aufeinandertreffen.
Bist du dir beim Austausch mit der Regie immer einer Meinung?
Hanna: Ein guter Dialog macht natürlich am meisten Spaß, weil dadurch Ideen entstehen. Manchmal muss man seine Idee auch erst schmackhaft machen, gerade wenn es darum geht, einen Raum zu bauen, der sich bewusst gegen etwas entscheidet. Ich bearbeite gerade Wolfram Lotz‘ Stück „Die lächerliche Finsternis“, das eine extrem bildreiche Sprache hat. Das will ich nicht noch zusätzlich bebildern. Also habe ich mich entschieden, bewusst zu kontrastieren: Während das Stück maßgeblich auf einem Fluss spielt, gebe ich dem Raum ein ausgetrocknetes Flussbett.
Wie sehen die nächsten Schritte nach dem Regieaustausch aus?
Hanna: In meinem Atelier baue ich ein Grundmodell, mit dem ich im Raum haptisch und analog Dinge ausprobieren kann. Das Modell wird dann von mir beleuchtet, fotografiert, gezeichnet und anschließend vor den Theater-Werkstätten präsentiert. Bei der Bauprobe gibt es dann eine Art Live-3D-Skizze im Raum, bei der Dimensionen und Formen so nachgestellt werden, dass man sich im Raum bewegen kann und sich Dinge genauer an die jeweilige Bühne anpassen lassen.
Was macht die fertige Szenografie dann mit den Zuschauer*innen, wie wirkt sich die Rauminszenierung bei ihnen aus?
Hanna: Im Idealfall lädt es sie ein und eröffnet einen Denk- und Wahrnehmungsraum. Als gutes Beispiel gibt es da gerade eine immersive Tendenz im Theater, wo man sich als Zuschauer*in frei bewegen kann. Über Sound und Licht werden alle Sinnesebenen angesprochen. Das ist häufig in der freien Theaterszene der Fall, wo sich Formate vermischen. Wenn man keinen festen Sitzplatz hat, kann man sich ganz anders verorten und ist näher am Geschehen. Die Wahrnehmungsräume werden somit stärker. Szenografie bedeutet nicht zwangsläufig gebauter Raum. Auch über Sound, Bewegung oder Videobilder kann man Räume erschaffen. Was ich an meiner Position als Szenografin spannend finde, ist die Verschränkung von Klassischem und Neuem, wenn man offen für etwas ist, das man noch nicht getestet hat – denn: Nichts ist langweiliger als das, was man schon kennt, oder?
Interview: Janka Burtzlaff
Aktuelle Arbeit von Hanna Lenz:
„Die lächerliche Finsternis“ Regie: Holle Münster (Prinzip Gonzo), Theater Heilbronn
Die Premiere ist für den 25. April 2020 geplant. Das Theater Heilbronn bleibt auf Grund des Corona-Virus bis zum 19. April geschlossen. Weitere Infos zum veränderten Spielplan liegen bislang noch nicht vor.