„Bloodline Maintenance“ von Ben Harper: Im Namen des Vaters
Songwriter Ben Harper pflegt auf „Bloodline Maintenance“ seine Wurzeln – und behält dabei ganz genau die aktuelle politische Situation im Blick.
Ben, auf dem Cover deines neuen Albums „Bloodline Maintenance“ sieht man dich als kleinen Jungen neben deinem Vater Leonard. Wann und wo ist das Bild entstanden?
Ben Harper: In Laguna Beach, Kalifornien. Wir haben sehr viele Familienurlaube unternommen. Dieser ist einer der ersten, an den ich mich erinnern kann. Ich muss etwa vier Jahre alt gewesen sein.
Den Vater starb 1998. Was sind deine wertvollsten Erinnerungen an ihn?
Harper: Ich weiß nicht, ob das für alle Jungs und für alle Mädchen gilt, aber ich habe meinen Vater schon ab einem sehr jungen Alter idolisiert. Ich wollte sein, wo er ist, und tun, was er gemacht hat. Ich bin heute nicht in allen Belangen wie er und schreibe meine eigene Geschichte mit meiner eigenen Identität, aber rein äußerlich sind wir uns extrem ähnlich. So sehr, dass Freunde meines Vaters oft etwas blass werden, wenn sie mich sehen, weil sie denken, sie erblicken einen Geist.
Deine Familie hatte ein Geschäft für Musikinstrumente, und 2014 hast du zusammen mit deiner Mutter das Album „Childhood Home“ aufgenommen…
Harper: … was mir sehr viel bedeutet. Es ist wie ein klangliches Fotoalbum, vor allem für meine Kinder. Die Familie war und ist mir unglaublich wichtig. Bei meinen Eltern habe ich immer Liebe und eine tiefe Geborgenheit empfunden.
Du hast fünf Kinder von klein bis längst erwachsen. Was gibst du an sie weiter?
Harper: Es sind inzwischen sogar sechs. (lacht) Wir haben ein zweijähriges Pandemiebaby. Alle meine Kinder sind umwickelt mit Musik und Liebe.
„Ich habe die Fenster und Türen weit aufgerissen und blase mit diesem Album alles durch.“ Ben Harper über sein neues Album „Bloodline Maintenance“
Du hast im vergangenen Jahr das eher introspektive Instrumentalalbum „Winter is for Lovers“ veröffentlicht, auf dem du durchgängig Lap Steel Guitar spielst. „Bloodline Maintenance“ ist deutlich forscher und mehr an Funk, Soul und Rock orientiert.
Harper: Ich habe die Fenster und Türen weit aufgerissen und blase mit diesem Album alles durch. Das ist meine Post-Pandemie-Platte. Ich kalibriere ja sowieso mit jedem neuen Projekt meinen Sound ein wenig neu und liebe es, mich im Studio wie ein Kind im Bonbonladen zu bewegen. Auch wenn die neuen Lieder fetter klingen, ist auf diesem Album aber keine Silbe und kein Ton zu viel.
„We need to talk about it“ ist ein wuchtiges Plädoyer gegen Rassismus. Du fragst, wo wir als Gesellschaft bei diesem Thema stehen. Hast du auch Antworten?
Harper: Wir machen viele kleine Schritte vorwärts, dann jedoch wieder Riesenschritte zurück. Wir haben 1776 voller Idealismus die Vereinigten Staaten gegründet, und vor einem Jahr sind Irre in das Kapitol gestürmt, um die Regierung zu stürzen. Vor 50 Jahren gab es ein fortschrittliches Urteil zum Thema Abtreibung, 2022 wird es einkassiert. Der Fortschritt ist uns nie gewiss. Er kann jederzeit zurückgenommen werden. Wir müssen wachsam sein und für unser Gemeinwesen einstehen.
„Where did we go wrong“ erinnert in Stil und Inhalt an „What’s going on“ von Marvin Gaye. Ist er eine Inspiration?
Harper: Immer. Marvin gehört zu meinen drei wichtigsten Einflüssen überhaupt. Als Kind habe ich seine Platten geliebt und sie mir immer wieder angeschaut, weil er kolossale Ähnlichkeit mit meinem Dad hatte.
Und heute siehst du selbst aus wie Marvin Gaye.
Harper: Das lässt sich wohl nicht bestreiten. (lacht)