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Boris Razon: Palladium

Boris Razons Romandebüt zu monieren, fällt gar nicht so leicht. Denn: Was „Palladium“ ganz augenscheinlich zugrunde gelegen hat, war der Drang, exakt dieses Buch zu schreiben, diese Geschichte zu erzählen – eine Geschichte, die sowohl die des Autors als auch die seines gleichnamigen Protagonisten ist und die es kaum vermag, bei dem, der sie erlebt, keine profunden Spuren zu hinterlassen. Und hier liegt die Krux: Razon, der 2005 am Guillain-Barré-Syndrom, einer schwerwiegenden Nervenentzündung, erkrankte, macht die Erlebnisse von Boris – in der, wie es scheint, Razons Realvergangenheit und Literarisierung verschmelzen – nicht erlebbar. Wenn der 29-jährige Chefredakteur Boris den Verlauf seiner Nervenerkrankung von den ersten Symptomen bis tief hinein in ein halluzides Koma schildert, bleibt er noch in jenen Momenten ohne sinnliches Einfühlungsvermögen, die ihm selbst als tosender Sinnesrausch erscheinen müssen – respektive, dem Real-Boris: mussten. Ob es nun an Razons ermüdender Parataxe, seinen kraftlosen Sprachbildern oder den zuweilen wie aus dem Script eines Robert-Rodriguez-B-Movies abgeschriebenen Horrorszenarien liegt: Der Autor scheitert als emotionaler Übersetzer seiner düsteren Fantasien. Wie oben bereits erwähnt: Der Drang, die Unbarmherzigkeit seiner Erfahrungen deutlich zu machen, ist spürbar – nur bleibt der Drang ohne Sturm und sprachliche Vehemenz. Wissend, dass Razon selbst zehn Jahre Chefredakteur der Onlineausgabe von Le Monde gewesen ist, gelangt man zu dem Schluss, dass der Franzose das Stilkorsett des journalistischen Schreibens nur vermeintlich abgelegt hat. Indem er seine durchaus vorhandene sprachliche Gewandtheit allzu kontrolliert einsetzt, wird „Palladium“ eher zur effekthascherischen Chronik denn zu der albtraumhaften Höllenfahrt, die es sein könnte. Vielleicht muss der Franzose für seinen nächsten Roman ein Thema in den Blick nehmen, das ihm den objektiven Zugang nicht derart versperrt – die Intelligenz und das sprachliche Vermögen für etwas Vielversprechendes hat er.

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