„Bugonia“ im Kino: Lachen, bis das Alien kommt
Giorgos Lanthimos ist zurück: In seinem neuen Film „Bugonia“, einer Sci-Fi-Komödie, glaubt Jesse Plemons , dass Emma Stone ein Alien ist, und entführt sie, um die Vernichtung der Erde zu verhindern. Verschwörungstheorien, Gewalt und eine gehörige Portion Humor machen diesen Film zu etwas Unvergleichlichem.
Giorgos Lanthimos’ neuer Film ist wie ein Schlag in die Magengrube: „Bugonia“ inszeniert nicht nur gerne explizite Gewalt als Spaßfaktor, sondern auch extreme Brutalität im Verfolgen von Zielen. Genau deshalb aber ist die Sci-Fi-Komödie, die jetzt im Kino läuft, sehr komisch.
Wie lässt sich unsere Zeit der rechten Verschwörungsmythen und anderer durchgeknallter Theorien noch satirisch überhöhen? Viele, die mit dem Genre ihr Geld verdienen, stöhnen schon lange. Nicht so Giorgos Lanthimos. Jetzt hat der griechische Regisseur gemeinsam mit dem Drehbuchautor Will Tracy („Succession“, „The Menu“) zwei Männer zu (Anti-)Helden ihres Films gemacht, die die Menschheit vor der Zerstörung durch Außerirdische retten wollen und dafür zu rabiaten Methoden greifen: Sie entführen die CEO einer Firma für Biomedizin in der Annahme, dass diese ein Alien ist.
Michelle heißt die Firmenchefin, die noch vor ihrer Entführung in all ihrem Zynismus beim Verfolgen der Firmenziele gezeigt wird. Als sie für eine Rede Diversität in der Sprache übt und immer wieder am notwendigen Gendern scheitert, sieht und hört man ihr den Widerwillen dank Emma Stones hervorragendem Schauspiel regelrecht an. Überhaupt: Emma Stone. Sie ist seit Jahren Lanthimos’ Lieblingsschauspielerin, weil sie auch körperlich herausforderndes Spiel hervorragend bewältigt. Musste Stone in „Poor Things“ eine Frau mit dem Geist eines Kindes darstellen, das die Motorik einer Erwachsenen noch nicht drauf hat, so darf sie jetzt ganz anders ran: Sie wird entführt und in einen Keller gesperrt, da sie sich aber bis zum letzten Atemzug wehrt, bleibt Gewalt in vielen Varianten nicht aus. Gleichzeitig darf sie – Firmenchefin! – alle ihre psychologischen und rhetorischen Tricks anwenden beim Versuch, ihre Entführer zu schwächen. Michelle sieht sich nicht als Opfer, sondern in einem Wettkampf, den sie gewinnen will.
Ihr Gegenspieler ist der von Jesse Plemons gespielte und zunehmend genervte Teddy, der in Michelles Firma am Fließband arbeitet und sich nur noch über YouTube-Videos aus dubiosen Quellen informiert und keinem Mainstreammedium auch nur ein Wort glaubt. Sein Cousin (Aidan Delbis) ist im Entführerduo der Handlanger, der Teddys wilden Theorien kaum folgen kann und den Michelle schon schnell als Schwachstelle auf der Gegenseite erkennt. Teddys Mutter liegt aufgrund eine Fehlmedikation aus Michelles Firma im Koma, er selbst sieht hinter dem real existierenden Bienensterben das Werk der Aliens, die er unbedingt stoppen muss. Teddy will sich mit dem Oberhaupt der Aliens im Mutterschiff treffen, und Michelle soll dieses Treffen arrangieren. Doch die Zeit läuft ihm davon, denn ein solches Treffen ist an ganz bestimmte Konstellationen geknüpft.

Giorgos Lanthimos hat mit „Bugonia“ keine Satire gedreht, sondern eine Komödie, womit der das Thema seines Films – die Verschwörungsmythen von Teddy – nicht mal auf der Augenhöhe behandelt, wie Satire das tut, nein: Lanthimos nimmt diese Mythen so wenig ernst, dass er sie sich als Stoff für die Handlung als Mittel aneignet, um diese mit komischen Momenten auszustatten. Wie weit der Grieche dabei geht, erkennt man in Gänze angesichts von wiederholten Twists erst spät, Twists, die gegen Ende des Films kommen und hier keine weitere Erwähnung finden sollen. Dem Individuum aber zeugt Lanthimos Respekt: Teddys Schmerz am Bett seiner Mutter, sein im wilden Diskurs dennoch ernsthafter Umgang mit der ständig lügenden Michelle, seine ganze Art, sich zu geben, zeigt, wie wenig Plemons und Lanthimos diese Figur vorführen wollen. Auf der anderen Seite ist es Michelle, die ihre Würde behält, weil sie sich unerbittlich wehrt. Der Kopf geschoren und mit Creme dick eingefettet, damit sie nicht mit ihrem Mutterschiff kommunizieren kann, bewahrt auch sie dennoch ihre Würde, weil sie kämpft und zu keiner Zeit aufgibt.
„Bugonia“ liefert keine Einmischung in die aktuellen gesellschaftlichen Diskurse, der Film bedient sich aber dieser Diskurse, um daraus etwas Neues zu machen. Er wendet sich mit dem Angebot, den Film komisch zu finden, aber ausschließlich an Menschen, die Verschwörungsmythen so sehr zum Lachen finden, dass sie dies auch am Ende von „Bugonia“ noch tun.
Emma Stone anlässlich Starts des Films „Bugonia“ in den US-Kinos in der Show von Stephen Colbert.