Zum Inhalt springen

„El Mirador“ von Calexico: Fiesta Texicana

Portraitfoto Calexico
(Foto: Holly Andres)

Mit der zuversichtlichen Musik von „El Mirador“ kämpfen Calexico nicht nur gegen die Nachrichten, sondern auch gegen Eichhörnchen.

Joey, das neue Calexico-Album heißt „El Mirador“, was „Aussichtspunkt“ bedeutet. Normalerweise hat man von so einer Plattform einen weiten, ungetrübten Blick. Im Moment scheint jedoch so manches im Nebel zu liegen.

Joey Burns: Ja, da muss ich dir recht geben. Die Aussicht ist verschwommen. Vieles, insbesondere in Bezug auf die Zukunft, erkennt man nur undeutlich oder schemenhaft. Wir hatten Trump, die Pandemie, jetzt ist Krieg. Irgendwas ist seit einigen Jahren immer. Ich wünschte natürlich, der Blick wäre klarer. Aber blind sind wir trotzdem nicht.

Was siehst du?

Burns: Ich sehe einen neuen Zusammenhalt. Dieses elende Auseinanderdriften von Menschen ohne vordergründige Berührungspunkte scheint sich – zumindest aus meiner rein persönlichen Sicht – ein Stück weit umzukehren. Wir erkennen, auch dank der Seuchenisolation, dass wir alleine nicht viel reißen. Wir Menschen brauchen Menschen.

Du selbst lebst nach zwei Jahrzehnten in Tuscon, Arizona mittlerweile seit knapp zwei Jahren mit deiner Frau und euren 12-jährigen Zwillingsmädchen in Boise, Idaho. Hast du dich eigentlich schon eingelebt und Menschen kennengelernt?

Burns: Ich habe Eidechsen gegen Eichhörnchen eingetauscht. Die Viecher sind süß, aber letztes Jahr zu Weihnachten haben sie uns die Lichterketten durchgebissen. Und unser Hund hat irgendwie Angst vor denen – ich glaube, zurecht. Trotzdem haben wir uns gut eingelebt. Unser Nachbar ist Ukrainer. Wir sitzen gerade oft zusammen, tauschen uns aus, kochen füreinander, und ich versuche, ihm beizustehen. Er denkt ständig darüber nach, wie er seinen Landsleuten helfen kann. Man kann so vieles tun, um der Aggression und der Gewalt etwas entgegenzusetzen. Auch wir können nicht das Töten unschuldiger Menschen verhindern, aber wir können mit Geld, Zeit und Zuwendung kontern. Und wir können unsere Stimme erheben, immer wieder.

„Wir dachten uns, nach Corona will bestimmt niemand diese typischen traurigen Balladen von uns hören.“ Joey Burns von Calexico über das neue Album „El Mirador“

Hat man als Künstler in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle?

Burns: Natürlich fällt es erst mal schwer zu sagen: Hey Leute, hier ist unser neues Album. Aber wir müssen alle eine Balance finden und uns ein wenig Energie für ein Leben jenseits der Nachrichten bewahren. Musik ist als Mittel zur Entspannung und als Quelle der Freude superwichtig.

Interessanterweise ist der Sound von „El Mirador“ für eure Verhältnisse extrem schwungvoll. Ihr schwelgt mit eurem Produzenten Sergio Mendoza und diversen Gästen in lateinamerikanisch inspirierter Tanzmusik wie der Cumbia.

Burns: Wir haben uns bemüht, so aufbauende Musik wie möglich zu schreiben. Das sind lauter Songs für Hochzeiten und 80. Geburtstage. Wir dachten uns, nach Corona will bestimmt niemand diese typischen traurigen Balladen von uns hören. Sie fehlen zwar nicht ganz, aber die Unternehmung „El Mirador“ als solche ist doch sehr, sehr fröhlich und feierlich.

Beitrag teilen: