Call me by your Name
Die wunderschöne Lovestory „Call me by your Name“ folgt dem US-Studenten Oliver und dem 17-jährigen Elio durch den italienischen Sommer 1983.
Regisseur Luca Guadagnino hätte bei „Call me by your Name“ verdammt viel falsch machen können, denn der größte Coup von André Acimans grandioser Romanvorlage ist die Entscheidung, den 17-jährigen Professorensohn Elio aus der Ich-Perspektive berichten zu lassen. Elio (der Oscar-nominierte Timothée Chalamet, auch bekannt aus „Lady Bird“) erzählt von seinem Verliebtsein in den sieben Jahre älteren Harvard-Absolventen Oliver (Armie Hammer aus „Codename U.N.C.L.E.“ und „Nocturnal Animals“), der die Sommermonate als Gast von Elios Vater an der italienischen Riviera verbringt. Und wie Elio das erzählt: Er belauert jede Geste des Geliebten, jede noch so flüchtige Unterhaltung wird seitenlang von ihm ausgedeutet, und wann immer die jugendliche Himmelsstürmerei in Selbstzweifel umschlägt, droht er an dem Spiel von Verführung und Zurückweisung zu zerbrechen. Elio trotzt, wenn er befürchtet, zu durchschaubar oder zerbrechlich zu wirken, dann wieder schwärmt er in poetischen Bildern, und weil er weiß, dass Worte den Zauber seiner Gefühle eigentlich nur zerstören können, frisiert er Zitate und lässt immer wieder vielsagende Andeutungen im Raum stehen.
Guadagnino begeht nicht den Fehler, eine Off-Stimme zu bemühen. Ihm gelingt es auch so, Elios Gefühlschaos abzubilden und das Umeinander-herum-Getanze der beiden Hauptfiguren erotisch aufzuladen. Womöglich hat er das zu 80 Prozent der Leistung seines jugendlichen Hauptdarstellers Timothée Chalamet zu verdanken, der für seine Darstellung des Elio völlig zu Recht eine Oscar-Nominierung einheimsen konnte und mit seinem leidenschaftlichen Spiel auch den etwas hölzern wirkenden Armie Hammer als Oliver mitreißt. Guadagnino arbeitet Chalamet jedoch geschickt zu, indem er „Call me by your Name“ als ein sinnliches Sommermärchen aus den 80ern inszeniert und im Wechsel mit Bach, Sufjan Stevens und Italopop unterlegt.
Wenn der Film auf einige explizite Dialoge aus der Vorlage verzichtet und die Kamera dezent wegschwenkt, sobald es zwischen Elio und Oliver zur Sache geht, mag man Guadagnino als feiges Zugeständnis an den heteronormativen Zuschauer auslegen. Wie viel schwulen Sex hält die Identifikation aus? Doch auch im Roman kämpft Elio weniger mit dem Coming-out als generell mit der Intensität seiner ersten Liebe. Im streng katholischen Norditalien ist das Sommerhaus von Elios Familie eine Festung, und die fast schon aberwitzig liberalen Akademikereltern, die weder das gleichgeschlechtliche Verhältnis noch der Altersunterschied der beiden Liebenden aus der Fassung bringt, machen „Call me by your Name“ zu einem den gesellschaftlichen Verhältnissen enthobenen Planspiel. Mit dem tränenreichen Finale und einem ergreifenden Vater-Sohn-Gespräch gelingt es Guadagnino, diese Distanz wieder einzureißen und die Utopie einer allen Widrigkeiten trotzenden Liebe auch auf die Gegenwart zu beziehen. Und immerhin: Die Tränen der Zuschauer sind der Beweis, dass sie auch aus Pfirsichen tropfendes Sperma nicht vom Schwelgen abhält. cs
„Call me by your Name“ ist als DVD und Blu-ray im Handel erhältlich.