Catherine Breillat
In Frankreich sorgte Catherine Breillats Film „Romance“ schon für Furore, als er noch gar nicht in den Kinos lief – vor allem wegen des angekündigten Auftritts eines italienischen Pornostars. Im city.mag-Interview entkräftet die Regisseurin den Vorwurf, „Romance“ sei ein Pornofilm.
city.mag: Catherine, für mich ist „Romance“ wahrlich kein romantischer Streifen …
Catherine Breillat: Da muss ich widersprechen. Für mich ist eine Romanze eine Liebelei ohne tiefere Bedeutung. Und als eine solche entpuppt sich letztlich die Beziehung von Paul und Marie. Die beiden glauben nur, sich zu lieben. In Wirklichkeit versteht der eine den anderen nicht. Darum scheitert ihr Versuch, die Liebe erzwingen zu wollen. Das beweist einmal mehr, dass die wahre Liebe schwer zu finden ist.
city.mag: Aber Ihre Heldin Marie scheint doch in erster Linie ihre Lust befriedigen zu wollen?
Breillat: Für mich hat die körperliche Liebe auch immer einen metaphysischen Aspekt. Beides gehört untrennbar zusammen. Viele Menschen sind permanent auf der Suche nach Transzendenz. Beim Sex finden sie sie.
city.mag: Diese These könnte von David Cronenberg stammen. Hat sein Film „Crash“ Sie inspiriert?
Breillat: Nein. Viele Kritiker haben mir aber gesagt, dass sich unsere Filme ähneln. Was uns verbindet, ist unser Hang zur Anti-Ästhetik. Normalerweise ist die Ästhetik das Gesetz für die Frau: Sie soll schön und keusch sein. Bei Cronenberg und mir leben die Frauen dagegen ihre sexuellen Wünsche aus.
city.mag: … und zwar so intensiv, dass einige Leute „Romance“ für pornografisch halten.
Breillat: Mein Streifen reflektiert die sexuellen Wünsche der Frauen, dadurch fühlen sich manche in ihrem Schamgefühl verletzt – vor allem Männer. Wenn sie merken, dass eine Frau ihnen überlegen ist, bekommen sie Minderwertigkeitskomplexe; einige versuchen, sie mit Gewalt zu kompensieren. Paul dagegen geht in „Romance“ den umgekehrten Weg: Er bestraft Marie mit Liebesentzug.
city.mag: Bringt sie ihn deshalb um?
Breillat: Nein. Marie tötet Paul, weil sie nicht immer wieder die gleichen Fehler begehen will. Sie gebärt am Ende nicht nur ein Kind, sie gebärt ihre eigene Persönlichkeit. Mit Paul beseitigt Marie die Versuchung, wieder der Romantik zu erliegen.
Interview: Dagmar Leischow