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Clueso

Bei den Fans des Sortenreinen erntete Clueso schon öfter Stirnrunzeln. Ist das jetzt Rap? Oder Pop? Oder was? Sein neues Album frönt geschickterweise dem besten aller Genres: Guter Musik.

Da kommt das Essen. Huhn mit Soße und Reis, im weiteren Sinne also chinesisch. Durchaus appetitlich, aber besser fände Clueso es, wenn noch drei, vier andere Leute mit am Tisch säßen. „Ich probiere immer total gerne bei allen und mische das durch“, sagt er. „Schmeckt dann insgesamt meist besser.“

Was Clueso (sprich „Klüso“), der vor 24 Jahren als Thomas Hübner in Erfurt zur Welt kam, bei Geflügelmahlzeiten billig ist, das ist ihm musikalisch mehr als Recht. Cluesos Songs passen schlecht in die üblichen Denkmuster, sein zweites Album „Gute Musik“ ist alles andere als die musikalische Version eines Billy-Regals – aber es ist drin, was drauf steht.

„Wenn ich einen Song schreibe, dann laufen bei mir tausend Prozesse gleichzeitig im Kopf ab. Ich persönlich bin halt einer, der sich schnell in schöne Melodien verliebt, und ich schäme mich nicht dafür. Ich bin Songwriter, ich bin Produzent, ich bin MC – alles zusammen und gleichzeitig. Die Leute müssen lernen, damit umzugehen.“

Was nicht immer einfach ist. Als Hübner vor vier Jahren sein erstes Album „Text und Ton“ veröffentlichte, fanden die HipHopper das nicht hiphoppig genug, und die Liederfreunde vermissten das Liedermäßige. Vielen gefiel dieser Mix aus straßenschlauen Beobachtungen, Rap und lakonischer Melancholie aber auch prima. „Ich bin im HipHop aufgewachsen“, sagt Clueso, „und habe viel von der Philosophie mitbekommen, dass man den Leuten Respekt zollt, die schon was geleistet haben. Dass man Rückgrat bewahrt und immer versucht, etwas noch nie Dagewesenes zu schaffen.“

Doch bevor sich Clueso der guten Musik widmen konnte, war erst mal Umorientieren angesagt. Zwischenzeitlich war er mit einigen Erfurter Kumpels, darunter DJ Arj Snoek, nach Köln gezogen, hatte dort die „10vor10“-Studios ins Leben gerufen und das Ganze „zu einer Art Ost-Enklave“ aufgebaut. Irgendwann waren die Mietrückstände aber höher als die Einnahmen, und die ganze Bagage zog zurück nach Erfurt. „Mir ist es wichtiger“, sagt er hühnchenkauend, „mit meinen Freunden in einer Kleinstadt zusammen zu sein, als in der Großstadt unterzugehen.“

Fast zwei Jahre hat er an seiner neuen Platte gebastelt, über 70 Minuten ist das Ding lang geworden, ein bisschen Jazz ist drauf, auch Reggae, so gut wie kein Rap mehr und ganz viele dieser smarten Lebensweisheiten, mit denen sich Clueso so gern auseinandersetzt. Er ist zwar sehr nachdenklich, doch auch weit weg vom Klischee des Jammerossis.

„Meine Grundstimmung? Heiter bis wolkig. Ich klebe nicht an der Decke, wenn es viel zu lachen gibt, aber wenn alles um mich herum zusammenbricht, hilft es mir zu wissen, dass bald wieder sehr viel Schönes passieren wird. Wenn du immer von vornherein alles scheiße findest, hat das Positive ja gar keine Chance, bei dir anzudocken.“

Das Mikrofon, sagt er, sei quasi sein Psychiater. Immer schon gewesen. Zwar absolvierte er nach der Hauptschule eine Friseurlehre, doch der Kopf war trotzdem bei der Musik. „Was nützen dir die tollsten Träume, wenn du nicht den Mut hast, sie zu verwirklichen?“, haut Clueso wieder eine smarte Lebensweisheit raus. Im Sommer wird er, vermittelt vom Goethe-Institut, zum zweiten Mal für einen Monat nach Neuseeland gehen und Kindern das Dichten beibringen – auf deutsch. „Ich glaube an das Prinzip von Schüler und Meister“, sagt er. „Wenn sie jemanden haben, der Lust hat, ihnen was beizubringen, dann haben die Kids auch echt Bock darauf.“

Und wenn Meister Clueso selber wieder Schüler wäre? „Dann am liebsten bei Sting. Der scheint seine Mitte gefunden und eine geile Lebensphilosophie zu haben“, sagt er und verputzt den letzten Rest Reis. „Vielleicht frage ich ihn mal, ob er Praktikanten nimmt.“

Steffen Rüth

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