Colin Farrell
Große Klappe, nichts dahinter: Colin Farrells loses Mundwerk und sein freimütiger Umgang mit Bier, Zigaretten und Frauen brachten dem Iren schnell den Ruf des bad boy ein. Dabei ist der 28-Jährige stolzer junger Vater – und ganz fürchterlich sentimental. Wenn er nicht gerade von Homosexualität redet …
_ulysses: „Alexander“ hat viele homosexuelle Elemente. Wurden Sie von Ihrem Agenten gewarnt, solche Rollen anzunehmen?
Farrell: Sie meinen, ob ich davor gewarnt wurde, mich in den Arsch ficken zu lassen? (lacht) Die meinten, einmal im Jahr dürfte ich einen Homo spielen, das wäre okay … Hör mal, mein Bruder ist schwul, okay? Ich lernte sehr früh, dass sich Liebe nicht über deine verdammten Genitalien definieren lässt. Was ich ihm nicht verzeihen kann, sind Shirley Bassey und Bette Midler! Und dass ich mir mit acht „Yentl“ ansehen musste! (lacht). Das Problem unserer Zeit ist, dass sich Leute heute nur noch von Geschichten beeinflussen lassen, die auf Schlagzeilen reduziert sind. Tratsch und so. Da wird das Leben auf Labels und Kategorien zusammengeschrumpft, die einzelne Gruppen nur noch mit Schlagworten beschreiben, sei es nun sexuell oder nach Rasse. Dabei bleibt die Geschichte auf der Strecke, aber eine Geschichte ist nun einmal mehr als eine Schlagzeile. Wenn man 150 Millionen Dollar für „Alexander“ ausgibt, kann man nicht zuviele Szenen zeigen, wo er mit einem anderen Mann im Bett liegt, denn leider ist unsere Gesellschaft auf diesem Gebiet unterentwickelt. 2 500 Jahre nach Alexander, und wir haben all die Technologie, von der man nur träumen kann – aber spirituell sind wir weiter hintendran als die alten Griechen, Römer, Perser und andere Kulturen der Antike.
_ulysses: Fühlen Sie sich wohl in homosexuellen Szenen?
Farrell: Oh Gott, nein! Am Tag, als ich Dallas Roberts in „Ein Zuhause am Ende der Welt“ küssen musste, hab ich mich vor Angst angeschissen! Ich war viermal auf dem Klo und hatte seit drei Tagen nichts gegessen. Ich rede hier groß von der unterentwickelten Gesellschaft, aber ich gebe gern zu, dass ich ein Mitglied dieser Gesellschaft bin. Dabei hatte ich mich vorbereitet, mich programmiert, darauf eingestellt. Und letztlich war die Panik auch völlig sinnlos, denn es ging ja nicht darum, wessen Zunge wo ist und wo man seine Hand hat. Als ich endlich auch emotionell kapierte, dass es nur um Liebe ging und das nichts mit dem körperlichen Aspekt zu tun hat, war es kein Problem mehr.
_ulysses: Hat sich Ihre Definition von Liebe geändert, seit Sie ein Kind haben?
Farrell: Ich sollte Liebe überhaupt nicht definieren, schon gar nicht für meinen kleinen Jungen. Er wurde geboren, und ich blickte in seine Augen mit einem totalem Verständnis der Welt, wie sie funktioniert und Liebe und Vertrauen und all diesen wunderbaren Dinge, die Kinder besitzen, und die wir verloren haben. Es gibt keine Definition von Liebe, sie ist überall: zwischen Mann und Mann, zwischen Frau und Frau, zwischen Mann und Frau, zwischen Mann und seinem verdammten Hund, zwischen Kamel und seinem Reiter. Die Möglichkeiten für Liebe sind endlos. Daher will ich den Kleinen nicht in eine bestimmte Richtung pushen, sondern möchte, dass er so offen wie möglich aufwächst.
_ulysses: Sind Sie bürgerlicher geworden?
Farrell: Die Leute reden einem ein, dass Vaterschaft und Erfolg einen verändern. Ich sage: Vaterschaft ist der ultimative Erfolg, aber verändert hat sie mich nicht. Ich zünde die Kerze noch immer an beiden Enden an – aber es ist eine sehr lange Kerze. Es ist selbstverständlich, dass ich jetzt einen stärkeren Lebenswillen habe. Natürlich will ich lange genug leben, um meinen Sohn aufwachsen zu sehen, ihn als Jungen und als Erwachsenen zu kennen. Ich möchte auch bessere Filme hinterlassen, ich denke über all das nach. Mein Sohn kam in mein Leben, als ich die erste Woche an „Alexander“ arbeitete, und er ist spürbar in meine Arbeit an diesem Film eingeflossen. Ich konnte nicht bei der Geburt dabei sein, war viele tausend Meilen entfernt. Aber ich spürte ihn, und mir brach das Herz.
_ulysses: Wechseln Sie auch seine Windeln?
Farrell: Sicher. Es ist in Wirklichkeit viel besser, als man es sich vorstellt. Man macht zwar sich vor Angst selber in die Hosen. In Wirklichkeit macht aber natürlich er sich in die Hosen, und man kümmert sich darum. Ich füttere ihn, lese ihm etwas vor. Es ist das Schönste, was man sich vorstellen kann. Ich würde es jederzeit wieder machen. Ich vergöttere ihn.
Interview: Elisabeth Sereda