Ray Wilson: Cut
So kann’s gehen: Da krebst man als normale Poprock-Band herum, bereitet ein Album vor – und plötzlich kommt einem der Sänger abhanden, weil eine Stelle bei einer Band namens Genesis frei wird. Aber der Schotte Ray Wilson will weiter beides unter einen Hut bringen. Sein Duo-Debüt mit Bruder Steve („Millionairhead”, Virgin) stellt er nun live vor – im Vorprogramm von Westernhagen.
KULTUR!NEWS: Ray, steckt hinter deinem zurückhaltenden Album die Absicht, ganz anders zu klingen als Genesis?
Ray Wilson: Auf jeden Fall. Es war eine bewußte Entscheidung. Ich bin stolz und glücklich, Mitglied von Genesis zu sein, aber ich wollte, daß diese Platte nicht beurteilt wird, bevor Leute sie gehört haben. Dies ist eine Band von Leuten, die seit Jahren zusammen arbeiten, und es sollte kein Aufkleber „Ray Wilson von Genesis” drauf kleben. Das Album war fast fertig, bevor ich zu Genesis kam, und hat musikalisch wenig damit zu tun; es ist eher eine Fortsetzung unserer früheren Band Stiltskin.
K!N: Gab es von Genesis denn gar nichts zu lernen?
Wilson: Wir haben von Tony Banks dazugelernt, wie man Keyboards effektiv einsetzt. Wir wollten keine gigantischen Neunziger-Keyboardklängen in unseren Liedern haben, aber Genesis hat einige der besten Sounds. Ich habe mir, als ich die Stelle hatte, natürlich alles von Genesis angehört, und gerade in den Siebzigern waren sie genial. Das wollten wir auch haben.
K!N: So ein Jahrzehnt wie die Siebziger wird’s nie wieder geben, meinst du?
Wilson: Was unser Album beeinflußt hat, ist vor allem aktuelle Rockmusik – Live, Radiohead, Eels, Pearl Jam. Das sind alles Bands, deren Sound an die Siebziger erinnert: Live sind fast schon Led Zeppelin für heutige Ansprüche, und Pearl Jam sind wie der frühe Neil Young. Da schließt sich ein Kreis. Diese Bands holen sich die Siebziger, so wie Oasis es mit den Sechzigern gemacht haben. Die Siebziger sind als nächster musikalischer Trend dran – hoffe ich jedenfalls.
Interview: Rolf von der Reith