Dan Bern
Künstlerisch ist Dan Bern ein Kind des New Yorker Greenwich Village, auch wenn er im Süden der USA lebt. Als linker Intellektueller nutzt er die klassischen Waffen der Protestära: Lyrik und Gitarren. Nur wenn die Sprache auf Bob Dylan kommt, wird der Mann wortkarg.
kulturnews: Dan, du bist jüdischer Abstammung. Warum ist es dir so wichtig, mit dem Song „My little Swastika“ ausgerechnet die Ehre des Hakenkreuzes zu retten?
Dan Bern: Meine Eltern sind Überlebende des Holocaust, viele meiner Verwandten kamen darin um. Wie du vielleicht weißt, kommt das Wort „Swastika“ aus dem Sanskrit. „Su“ heißt dort „gut“, „asti“ heißt „sein“, und „ka“ ist ein Suffix. Bis die Nazis drauf kamen, wurde das Symbol 3000 Jahre lang von vielen Kulturen benutzt; es meinte Leben, Sonne, Macht, Stärke, Glück. Noch im frühen 20. Jahrhundert war das Hakenkreuz ein positives Symbol. Dann eigneten Hitler und sein Schreckensregime es sich an, und bis heute wird es weiter von Antisemiten benutzt. Meine Idee ist radikal, aber nicht unlogisch: Indem wir das Symbol wieder in seiner ursprünglichen Bedeutung gebrauchen, gehen wir einen kleinen Schritt in die richtige Richtung – nämlich die Macht der Antisemiten zu schwächen. Außerdem mache ich gleichsam neue Bedeutungsvorschläge. Ich glaube halt daran, dass Kunst in ihrer höchsten Form ein Mittel der Transformation sein kann.
kulturnews: Ich dagegen glaube, dass das Hakenkreuz immer mit den Nazi-Verbrechen verbunden bleiben wird. Und das sollte es auch, trotz seiner Wurzeln.
Bern: Natürlich sollte es das. Und es wird auch immer damit verbunden sein. Wenn du glaubst, mein Song würde sich dagegen wenden, verstehst du ihn völlig falsch. Der Song soll ein Impuls sein – buchstäblich und metaphorisch –, um den Antisemiten eins ihrer übrig gebliebenen Symbole zu entreißen. Es ist verdammt einfach, es auf eine Wand zu pinseln und uns so Schmerzen zuzufügen. Wenn jemand den Song hört und ihn versteht, fällt es diesen Leuten ein wenig schwerer, mit dem Hakenkreuz Leid zu verursachen.
kulturnews: Du bist immer wieder mit Bob Dylan verglichen worden, und so weit ich weiß, hast du dem nie widersprochen. Siehst du nicht die Gefahr, als bloßer Nachahmer in die Geschichte einzugehen?
Bern: Bob Dylan ist ein Einfluss, genauso wie Charles Bukowski, Albert Einstein, Philip Roth, Babe Ruth, Serena Willliams und die Beatles. Wenn die Leute so kurzsichtig sind, mich nur mit Dylan zu vergleichen, kann ich nichts dagegen machen – ich habe eh Besseres zu tun. Kurz: Wer meine Musik hört, stellt fest, dass sie für sich steht. Hoffentlich … Und ob ich „in die Geschichte eingehe“, entscheiden weder du noch ich. Übrigens hat niemand das Copyright auf den Talkin’ Blues. Auch nicht Dylan oder Woody Guthrie.
kulturnews: Hast du His Bobness je getroffen? Weißt du, ob er deine Songs mag?
Bern: Nein, nie getroffen. Und keinen Schimmer, ob er meine Songs kennt.
kulturnews: Ich gebe zu, wenn ich eine Zeitreise machen könnte, wäre eins meiner bevorzugten Ziele das Gaslight Café in Greenwich Village 1961. Deins?
Bern: Losgehen, Hitler töten.
kulturnews: … wie in deinem Song „God said no“, wo dieses Vorhaben dem Protagonisten jedoch von höchster Instanz verwehrt wird … Wie fühlt sich eigentlich ein Linker wie du als Bürger des letzten Landes weltweit, das die Macht hat, anderen ihr Verhalten vorzuschreiben – sogar der Uno?
Bern: Da ich nie in der Lage war, meiner Regierung sagen zu können, was sie zu tun hat, versuche ich einfach weiterhin, für mich selber zu denken und zu sprechen.
kulturnews: Könntest du dir ein Exil im „alten Europa“ vorstellen? Wir hätten ein warmes Plätzchen für dich und dein Gitarre.
Bern: Ja, danke auch. Nichts für ungut, aber noch vor einer Generation mussten meine Eltern im „alten Europa“ die Beine in die Hand nehmen, um ihre eigene Haut zu retten. Aber das ist doch jetzt anders, oder?
Interview: Matthias Wagner