Daniel Brühl
Bei der Promotion für einen Film besuchen mich an einem Tag 50 Leute, um zu hören, was ich so erzähle. Letztens war ich einen Monat in Bukarest zum Drehen. Da ist man in einem ganz anderen Umfeld. In einem Hotel zu wohnen ist ja kein normales Wohnen, am Drehort wird man als Schauspieler grundsätzlich gut behandelt, genauso, wenn einen die Leute im Club oder Restaraunt erkennen. Es gibt so zwei, drei Restaurants in Berlin, wo ich merke: Die geben sich besonders Mühe und wollen mich nicht enttäuschen, weil ich da öfter hingehe. Und die wissen, wer ich bin. Meisten, und das ist gefährlich an dem Beruf, sind das unheimlich viele Vorteile. Je bekannter man wird, desto mehr kriegt man natürlich auch in den Arsch geschoben. Man wird gesponsort, kriegt Geschenke, wird freundlich behandelt. Dem Türsteher, der einen nie reinlassen wollte, sind plötzlich die Turnschuhe scheißegal.
Eigentlich bedeutet das aber nichts. Ich bin erziehungs- und beziehungsmäßig und durch einen intakten Freundeskreis so geerdet, dass ich weiß, dass das alles im Endeffekt Quatsch ist. Aber es ist meistens ja angenehmer Quatsch und daher kein Problem. Ich muss nur meine Leute sehen oder meine Familie, und dann ist alles wieder in Ordnung. Die Zeit muss man sich nehmen, denn irgendwann wird man so eine leere hohle Nuss und hat nichts mehr zu erzählen. Das geht verdammt schnell. Die Ochsentour mit „Good Bye, Lenin!“ letztes Jahr war tatsächlich brutal. Zum Ende hin – die USA waren die letzte Etappe – war da so eine innere Leere. Man hat sich selber auch so wahnssinnig gelangweilt, weil man immer den selben Quatsch erzählt. Das ist wie ein Akku, der völlig leergesaugt ist. Den muss man erstmal wieder auffrischen.
Für mich sind Gefühle und Beziehungen echt. Echte Beziehungen, nicht nur Liebespaare, sondern auch Freunde und solche Geschichten. Das ist für mich das Wahrhaftigste. Oder Familie. Ich denke ohne Koketterie, dass ich nicht anders bin als die Anderen. Manchmal finden die Leute das fast schon langweilig bei mir. Die wollen immer hören, dass ich ein Hotelzimmer kaputtmache. Aber ich rege mich eher total auf, wenn irgend etwas mit meinen Zimmer passiert! Ich bin da echt erschreckend normal.
Ich werde immer echt bleiben. Ich bin wahnsinnig sensibel für die Gefahren, und ich merke bei mir selber ganz schnell, wenn die Gefahr da ist. Ich sehe mich auch häufig von draußen, fühle mich in so vielen Situationen in diesem Beruf so unwohl. Es gibt so viele Sachen, die mir tatsächlich keinen Spaß machen. Es gibt Leute, die lieben es, auf jede Premierenfeier zu rennen. Mich strengt das regelrecht an. Was mir total Angst macht, sind viele Menschen auf einem Haufen. Das finde ich furchtbar. Diese ganzen Schosen gebe ich mir schon mal nicht, ich find‘s einfach auch unspannend. Echtheit interessiert mich: rumreisen und Leute mit richtigen Berufen und so zu treffen. Echte Menschen. Ich will mich nicht über Filmfeste oder so beschweren, das ist auch großartig. Aber irgendwann ist es auch gut.
Aufgezeichnet von Volker Sievert