Daniel Brühl
Daniel Brühl ist schwierig. Er hat Talent für drei, Preise en masse und eine rosige Zukunft. Aber er verabscheut Tratsch, schlechte Filme und hat insgesamt die Schnauze davon voll, nett zu sein. Ja, Daniel Brühl ist schwierig. Und deswegen großartig.
kulturnews: Daniel, du stehst nicht so auf Ruhm, was? Bayerischer und Deutscher Filmpreis, Shooting Star 2003 bei der Berlinale. Und nun „Good Bye, Lenin!“, ein Film über das uncoolste Thema der letzten 20 Jahre: die Wiedervereinigung.
Daniel Brühl: Das war das beste Drehbuch, das ich je gelesen haben. Ich war acht oder neun, als die Mauer fiel und erst vor ein paar Jahren länger im Osten, in Mecklenburg. Ich habe schnell gemerkt, dass ich Gegend und Leute mag, vor allem, weil es da ein bisschen düster und kaputt ist.
kulturnews: … was deine Vorliebe für gebrochene Figuren erklärt.
Brühl: Genau. Ich warte auf ein Projekt, wo ich a) mal ein Arschloch sein kann und b) in keinster Weise Sympathieträger bin, denn irgendwie bin ich es dann doch immer. Eine Nebenrolle wäre mir auch lieb. Es muss aber gut sein. So John Malkovich in „Gefährliche Liebschaften“: Ein intriganter Arsch, der so viel Charme und Witz hat, dass er auch wieder sympathisch ist.
kulturnews: Für wie deutsch hältst du dich?
Brühl: Ich habe aus der Kindheit in Köln das Gefühl, das Aufzuwachsen in Deutschland etwas Lokalpatriotisches hat. Ich bekam immer gesagt: Ach, du bist son Karnevalsfeierer, der aus Pipigläsern Bier trinkt. Aber deutsch sein? Ich weiß gar nicht, wie sich das anfühlt.
kulturnews: Deine Filmfigur hält für seine Mutter Existenz der DDR aufrecht. Er lügt aus Liebe. Selber schon gemacht?
Brühl: Ich bin ein Riesenlügner, und ich stehe dazu, weil ich es okay finde. Ich habe das mitunter aus Liebe getan oder Leuten Wahrheiten verschwiegen, um ihnen nicht wehzutun. Wenn es jemandem, den ich liebe, dreckig geht und ich wüsste, ich könnte mit Schwindel und Lüge was retten: Ich würde es sofort tun.
kulturnews: In Krisenzeiten flüchten sich die Menschen gerne in die Traumwelten des Kinos. Du bist selber Teil dieser Traumwelt. Wohin flüchtest du?
Brühl: Ich verreise irgendwohin, wo mich keiner kennt und niemand meine Sprache spricht. Das ist wie eine Entschlackung, da geht’s noch um was. Diese Menschen haben ordentliche Probleme. Nicht so wie meine, die mir dann vollkommen banal vorkommen. In solchen Momente bin ich glücklich, so hundertprozentig.
kulturnews: Hast du nicht manchmal Lust, deinen Ruhm à la Robbie Williams auszuleben?
Brühl: Nein. Ich greife die angenehmen Begleiterscheinungen ab: Ich komme in den Genuss von teuren Hotels und werde in der Business Class rumgeflogen. Ich habe keine Lust, durch privaten Kram ein Riesenfass aufzumachen. Ich würde auch zu einem großen Kommerzding ja sagen, es muss halt nur Qualität habe. Bin da ziemlich schwierig. Bei „Herr der Ringe“ hätte ich einen Hobbit oder Golum gespielt, das wäre okay.
kulturnews: Die meisten anderen wären lieber die Heldenfiguren Aragorn oder Legolas …
Brühl: Nee, das langweilt mich. Dann lieber ein Ork. Da kann man einfach scheiße aussehen.
kulturnews: Bereust du Dinge?
Brühl: Erschreckenderweise weiß ich es nicht mehr, was nicht dafür spricht, dass ich ein toller Mensch bin. Ich bin ein Verdrängungstyp und glaube, dass man aus Fehlern nicht lernt. Man kann versuchen, sich hier und da zu ändern, aber wenn man erstmal 18 oder 20 ist, lässt sich das Grundding nicht mehr beeinflussen. Aber wenn man einigermaßen Philanthrop ist, ist das okay.
kulturnews: Wie passt Du in eine Medienwelt, die die Styles der Stars eher zelebriert als ihre Persönlichkeit?
Brühl: So lange man sich nicht zu sehr zum Affen macht … Es gehört für mich zum Job. Das muss man mit Professionalität durchziehen, wenn man groß raus will. Ich bin nicht so borniert, zu sagen, dass ich für immer Kunstfilmchen mache. Ich will Massen erreichen. Sonst hat dieser Beruf für mich keinen Sinn. Um das zu erreichen, macht man auch eine Menge Quatsch mit. Es gibt nur Leute, die sind für mich absolute Brechmittel. Ich werde nie Dieter Bohlens Biografie lesen. Das ist einfach zu hart.
kulturnews: Wenn dein Ego ein Tier wäre, was wäre es?
Brühl: Robert De Niro meint von sich, er wäre ein Krebs. Ich wäre wohl eher was Hektisches, ein Frettchen oder ein Erdhörnchen.
kulturnews: Und Dieter Bohlen?
Brühl: Was ist denn so am widerlichsten? Irgendetwas Schmieriges: ein stinkender, toter Tintenfisch.
Interview: Volker Sievert