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Daniel Woodrell: Tomatenrot

Wenn die Welt einfach nur trist ist, kann man sich schon mal auf einen anderen Planeten beamen. Oder in eine Villa einbrechen. Und für Sammy, der gerade in das Kaff West Table in Missouri gezogen ist, in einer Hundefutterfabrik jobbt und zwischen Wohnwagenpennern lebt, ist das leerstehende Anwesen in der Nachbarschaft wie ein anderer Planet: Alles so schön bunt hier! Bei dem Einbruch trifft er auf die neunzehnjährige Jamalee und ihrem Bruder Jason, die ebenfalls eingestiegen sind. Sammy schließt sich ihnen an, denn endlich kommt mal wieder etwas Farbe in sein Leben. Wobei – bis auf Jamalees tomatenrote Haare ist das Leben der beiden gar nicht so farbenfroh, denn die Geschwister leben zusammen mit ihrer Mutter Bev auch nur in einem heruntergekommenen Trailerpark. Immerhin kann Sammy eine Affäre mit Bev eingehen, um weiter ungestört die unnahbare Jamalee anzuhimmeln, die Benimmbücher liest und ernsthaft von einem besseren Leben träumt. Leider ist ihre einzige Strategie, den schönen Bruder als Callboy an ältere Frauen zu vermitteln. Als eines Morgens Jasons Leiche gefunden wird, deutet zwar vieles auf Mord hin, doch ist die Polizei bemüht, alles wie einen Unfall aussehen zu lassen. Sie bietet der Familie sogar Geld an, wenn sie die Sache möglichst schnell vergisst. Aus ihren Träumen gerissen, müssen Jamalee, Bev und Sammy erkennen, dass sie in der Welt der Dollars nur verlieren können. Und trotzdem versuchen sie, ihre Würde zu verteidigen … Daniel Woodrells poetischer Country Noir ist eine ungewöhnliche Kombi aus Coming-of-Age-Roman und alptraumhafter White-Trash-Loserstory. Und auch wenn die Tragik des Scheiterns Woodrells großes Thema ist, schlägt er mit eindrucksvollen Bildern und wunderbaren Dialogen aber auch sprühende Funken der Lebenslust aus der Tristesse.

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