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Darragh McKeon: Alles Stehende verdampft

Auch nach 29 Jahren sind die Spätfolgen der Havarie des Kernkraftwerkes Tschernobyl nicht absehbar. In seinem Romandebüt spinnt Darragh McKeon um die Katastrophe herum ein Figurenmosaik, dessen Fäden erst mit der Zeit zusammenlaufen: Der junge Artjom sieht eines Tages tote Vögel vom Himmel fallen. Grigori, ein Chirurg aus Moskau, wird in die Stadt Prypjat nahe dem Reaktor versetzt, während seine Exfrau Maria daheim zur Dissidentin wird. Derweil sucht das Klavierwunderkind Jewgeni seinen Platz in der Welt. In poetischen, unverbrauchten Bildern beschreibt McKeon die Erschütterungen im Kleinen, ohne die großen Zusammenhänge aus dem Auge zu verlieren: Die Verkettungen von Staat und Individuum, die Handlungsunfähigkeit eines im Zerfall begriffenen Systems, das sich selbst als unfehlbar verkauft. „Alles Stehende verdampft“ steckt voller Themen und Anekdoten, ist zugleich Politanalyse und Familienchronik, Klageschrift und zartbittere Coming-of-Age-Geschichte – und doch von staunenswerter Konsistenz.

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