„Das hat mich richtig wütend gemacht“: Jenobi über Ungerechtigkeiten in der Musikwelt
Jenobi nimmt sich den Raum, der ihr gebührt. Im Interview spricht sie über ihre musikalischen Einflüsse, ihre Wut über patriarchale Strukturen und kreative Prozesse.
Jenobi, ursprünglich kommst du aus Schweden. Gibt es Musik von dort, die dich immer noch beeinflusst?
Jenobi: Auf jeden Fall. Ich glaube vor allem Lykke Li. Miss Li finde ich auch ganz fantastisch. Als ich Teenie war, war meine Lieblingsband Kent. Die gibt es auch noch, und ich finde sie richtig toll.
Und dann bist du nach Hamburg gezogen. Hat sich da dein Musikgeschmack verändert?
Jenobi: Ich liebe die Bands von damals immer noch. Ich habe gemerkt, dass ich die schwedische Musik von vor 2010 immer noch richtig cool finde. Aber in Deutschland hat mir zum Beispiel Die Höchste Eisenbahn gut gefallen. Dann habe ich auch Wir Sind Helden entdeckt – fand ich auch richtig schön. Aber auch ganz viele andere Künstler:innen, mit denen ich auch befreundet bin. Lùisa, zum Beispiel, macht fantastische Musik. Oder Amber & The Moon, Deer Anna … das sind Menschen, die ich kenne und mit denen man abhängt und auch zusammen Musik hört. Alles tolle Leute. Aber ich höre sonst auch ganz viele internationale Bands. Noga Erez liebe ich ganz doll. Björk natürlich auch. Ich habe auch eine neue Künstlerin entdeckt, die ich rauf und runter höre: Remi Wolf.
Und was genau inspiriert dich an den Künstler:innen, die du genannt hast, besonders?
Jenobi: Ich achte gerade sehr viel auf die Produktion. Auch sehr viel Musik, die nicht nur mit Instrumenten entsteht, sondern ein bisschen elektronischer ist. Obwohl ich eigentlich Elektro nicht so gerne mag. Aber ich finde das Spielerische und das Kreative, vor allem bei Björk, ganz fantastisch. Wie sie mit unfassbar unterschiedlichen und seltsamen Sounds arbeitet, finde ich ganz inspirierend. Bei Remi Wolf finde ich das auch einfach unfassbar interessant zu hören, was da alles kommt. Bei Noga Erez auch! Ich mag auch Empowerment und Attitüde sehr gerne.
Patriarchale Strukturen sind gerade in der Musikindustrie ein großes Thema. Hast du da selbst viele Erfahrungen gemacht, die dich und dein aktuelles Album „Irregularity“ dahingehend geprägt haben?
Jenobi: Ja, vor allem habe ich gemerkt, dass es besser geworden ist, als ich älter geworden bin. Das finde ich interessant. Ich war ja neunzehn, als ich angefangen habe, in Deutschland Musik zu spielen. Da wirst du häufig übersehen. Zum Beispiel bei Torpus & The Art Directors, meiner alten Band. Da wurden wir sehr häufig vorgestellt und auf die Bühne gerufen mit den Worten: „Und jetzt kommen die Jungs von Torpus & The Art Directors“. Das ist extrem häufig passiert. Damals wurde mir gesagt, dass ich bei „Jungs“ mit gemeint sei. Das finde ich krass.
Bei meiner ersten Platte war es so, dass ich mit Jenobi mein eigenes Ding machen wollte. Zwar habe ich das Album größtenteils selbst produziert und geschrieben, aber als es rauskam, gab es ganz viele Artikel, die gar nicht erwähnt haben, dass ich das selbst gemacht habe. Das merke ich auch oft bei anderen Künstlerinnen. Es heißt dann ganz oft, dass sie ja mit so vielen anderen Produzenten zusammengearbeitet haben müssen. Meine Leistung wird oft komplett übersehen. Ich war so stolz darauf, diese Platte zum größten Teil selbst produziert zu haben. Und dann kam sie raus, und die beiden Jungs, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, wurden als die Produzenten und als die großen, genialen Musiker betitelt. Und ich war einfach nur die kleine putzige Sängerin aus Schweden. Das hat mich richtig wütend gemacht.
Warum ist dir das so ein Anliegen, deine Alben selbst zu produzieren?
Jenobi: In erster Linie finde ich es sehr lustig. Produzieren ist mein Lieblingsaspekt des Musikmachens. Es ist ja eine Sache, einfach nur ein Lied zu schreiben mit Gitarre oder Klavier und Akkorden und Gesang. Aber das Witzigste ist ja das Aufnehmen und zu überlegen, wie der Song klingen kann. Welche Instrumente kommen noch dazu? Wie wird das Soundbild am Ende sein? Und das liebe ich! Wenn es meine Musik ist, mag ich es auch nicht, wenn jemand kommt und mir sagt: „Ich weiß besser, wie das funktionieren könnte“. Ich möchte das gerne selbst entscheiden.
Gab es bestimmte Dinge, die du aus dem Lernprozess deines ersten Albums mitgenommen hast und bei deinem zweiten Album anwenden konntest?
Jenobi: Ich glaube, ich bin eine bessere Produzentin geworden. Ich habe technische Sachen gelernt. Aber ich habe auch gelernt, dass der Pressetext von einem Album wahnsinnig wichtig ist. Das habe ich bei der ersten Platte unterschätzt. Wenn man zum Beispiel eine FLINTA-Person ist, einen Pressetext schreibt und zwei Cis-Männern für irgendwas Credit gibt, dann kann es sehr leicht passieren, dass sie die ganze Anerkennung bekommen, wenn über die Platte berichtet wird. Ich habe auf den harten Weg gelernt, dass ich bei diesem Pressetext vor allem mich selbst in den Vordergrund setze und mich traue, mir diesen Platz zu nehmen.
Das erfordert auch viel Mut, da für sich einzustehen und den Raum einzufordern.
Jenobi: Und ich habe oft das Gefühl, wenn man das macht, fühlt man sich so egoistisch. Oder nervig. Und ich glaube, das ist eine Struktur in der Gesellschaft. Ich glaube, vielen Männern geht es nicht so.
Höre dir „Little Sweet“ von Jenobis Album „Irregularity“ hier an: