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Das nahende Ende des Linearfernsehens: Eigenverschulden?

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(adobe.stock | metaphum)

In Zeiten, in denen Mediatheken und Streaming-Dienste immer wichtiger werden, hat klassisches Linearfernsehen einen ständig schlechter werdenden Stand. Schuld daran ist vermutlich die Digitalisierung, aber vielleicht auch die privaten Linear-TV-Anbieter selbst.

Streaming-Dienste haben den Markt bereits erobert

Noch vor einigen Jahren schaute man ganz normal die neuesten Filme im Kino und die Erstausstrahlungen im Fernsehen an. Danach folgten die ersten illegalen Streaming-Dienste, die Fans von amerikanischen TV-Serien ermöglichten, noch vor Erscheinen im deutschen Fernsehen die Fortsetzung der Lieblingsserie in Originalsprache zu sehen. Illegal ist natürlich verboten und die Piraten-Plattformen wurden durch bezahlte Streaming-Anbieter ersetzt.

Die Zeiten haben sich geändert und im Laufe der Jahre haben sich immer mehr Menschen dazu entschieden, für das Streamen zu zahlen: Heute bezahlen rund 19 Millionen Deutsche für einen Streaming-Dienst. Netflix, Amazon Prime, Sky TV und Co. haben den Markt eindeutig erobert. Durch diese Beliebtheit von medialen Inhalten, bei denen der Konsument stets entscheiden kann, was er sieht, wann er es sieht und ob mit oder ohne Werbeunterbrechung er es sieht, wird das lineare TV für viele, vor allem junge Menschen, immer uninteressanter. Der Streaming-Markt wächst und es kommen laufend neue Anbieter hinzu. Und das nicht genug: Mittlerweile produzieren Anbieter wie Netflix, Disney und Prime ihre Inhalte zum Teil selbst, und das mit großem Erfolg. Denn die Serien und Filme sind mit großen Hollywood-Stars besetzt und oftmals richtig sehenswert. Kein Wunder, dass sich Privat-TV-Sender Sorgen um ihre Zukunft machen.

Die aktuelle Situation für das Linearfernsehen

Viele Menschen kenne vielleicht die Situation: Man dreht abends den Fernseher an und will sich einfach nur berieseln lassen, doch es spielt einfach nichts Spannendes im TV. Wo früher um 20.15 Uhr der Hauptprogramm-Spielfilm lief, laufen heutzutage nur noch Talkshows, Action-Shows oder Koch-Shows. Viele junge Zuschauer fragen sie sicher zu Recht, ob sich die Rundfunkgebühr überhaupt noch lohnt, wo man doch um denselben Betrag oder sogar für weniger Geld Video-on-Demand haben kann. Die Linear-TV-Zuschauer werden immer älter und das Streaming-Publikum immer jünger. Doch hat wirklich nur die Digitalisierung Schuld an dem Dilemma des Fernsehens? Oder sind es die Privat-TV-Anbieter, die es verabsäumt haben, mit der Zeit zu gehen?

Streaming-Dienste wie Netflix & Co. bieten laufend ein neues, ansprechendes Programm, das den Geist der Zeit trifft. Viele Linearfernseh-Produzenten gehen nur noch auf die Zielgruppe 50+ ein, wenn es darum geht, Programm zu machen. Aber zugleich haben es viele Fernsehsender nicht verstanden, wo alles beim Alten bleiben sollte, nämlich bei Fernsehen für Kinder. Das Kinder-TV-Programm hat sich in den vergangenen zehn Jahren so stark verändert, dass man es seinem Kind eigentlich nicht mehr mit gutem Gewissen zumuten kann, einen Kinderkanal zu sehen. Denn wo einst noch langsame, schöne und dem Alter angepasste Erzählungen präsentiert wurde, werden heute nur noch lieblos gezeichnete und schnell ablaufende Bilder gezeigt. Denn Sandmann schaut das Kind von heute am besten auf Netflix – dort gibt es alle Staffeln on demand.

Wer heute noch linear fern sieht

Foto: adobe.stock | evelien

Wenn Streamen so in ist, warum gibt es das Fernsehen überhaupt noch? Wer sieht Linear-TV eigentlich noch? Etwa zwei Drittel aller 18- bis 29-Jährigen sind der Meinung, dass lineares TV bald nicht mehr existieren wird. Ein Großteil der älteren Generation hingegen, also die 50- bis 65-Jährigen, denkt das nicht. Wenn man sich dann die Zuschauer-Statistik ansieht, wird klar, dass lineares Fernsehen vorwiegend von älteren Menschen konsumiert wird. Gänzlich abgeschrieben hat die junge Generation das Fernsehen aber noch nicht. Immerhin schauen zwei Drittel noch ab und zu fern. Wer jedoch für die Begleichung der Rundfunkgebühr zuständig ist, ist oftmals nicht mehr bereit, für die gebotenen Inhalte im Fernsehen zu bezahlen. Was für die ältere Generation Gewohnheit ist, ist für die Jungen schon lange nicht mehr attraktiv. Lineares Fernsehen wird also nur noch von den älteren Menschen angesehen, und das merkt man auch am Programm.

Warum Linearfernsehen für viele noch attraktiv ist und bleibt

Dass der Markt von Streaming-Plattformen in Zukunft schwächeln könnte, ist eher unwahrscheinlich. Denn Video-On-Demand bietet meist für einen monatlichen Fixpreis tausende Filme, Serien und laufend ein neues und attraktives Programm, und zwar für alle Altersklassen. Hier kann jeder schauen, was er will. Nur für den, der einmal nicht weiß, was er sehen möchte, und sich einfach überraschen lassen will, kann Linearfernsehen noch mithalten. Neben der Lücken füllenden Funktion hat Linear-TV aber noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: das Live-TV. Vor allem für die Sportwelt ist Linear-TV nicht wegzudenken, wo ein Bundesligamatch oder ein Super Bowl zu einem wahren Event werden. Und da es für Fans nur ein Erlebnis ist, wenn sie das Spektakel live miterleben können, ist das Live-Event im linearen TV einfach von keinem Streaming-Anbieter zu toppen.

Aus diesem Grund sind auch nicht-klassische Pay-TV-Anbieter bei Live-Events im Fernsehen mit dabei. Aber nicht nur Sport kann zum TV-Erlebnis werden. Viele Zuschauer wollen gerne live erleben, wer das „Dschungelcamp“ verlassen muss oder wer sich hinter der Maske von „The Masked Singer“ verbirgt. Aus diesem Grund wird das Linearfernsehen wohl auch nicht so bald von der Bildfläche des heimischen Publikums verschwinden. Denn Sport- und andere Live-Events im Fernsehen kommen immer wieder und sind jedes Mal auf ihre Art spannend.

TV-Persönlichkeiten gibt es nur im Fernsehen

Ein weiterer Grund, warum heutzutage auch noch viele Junge ab und zu das TV-Gerät einschalten, sind die einzigartigen Persönlichkeiten, die sie irgendwie ins Herz geschlossen haben. Zwar schauen Mehrpersonenhaushalte heutzutage nicht mehr abends gemeinsam fern, wie es noch in Zeiten von „Wetten, dass..“ der Fall war. Trotzdem gibt es ein paar TV-Persönlichkeiten, die sogar die junge Youtube-Generation von Netflix wegholt und wieder vor die Glotze bringt. Dazu zählen Fernsehpersönlichkeiten, wie Heidi Klum, Nena, Ray Garvey und Markus Lanz, aber auch internationale Serienstars wie Millie Bobbie Brown von „Stranger Things“ und Neil Patrick Harris aus „How I Met Your Mother“. Doch eben diese Fernseh-Momente sind eher begrenzt interessant, sodass Jugendliche und junge Erwachsene dann lieber wieder auf den Streaming-Dienst zurückgreifen.

Leider fehlt es an Kultur im TV

Das Linearfernsehen richtet das Programm nur noch auf die Zielgruppe aus, die bei durchschnittlich 63 Jahren liegt. Ab und an kommen Jüngere zum Zug, wenn Unterhaltungsshows und Daily Soaps Zuschauer in ihren Bann ziehen. Was jedoch früher mehr im Fernsehen zu sehen war und es heutzutage kaum noch gibt, ist Kulturprogramm. Und wenn, dann findet dies nur zu unliebsamen Zeiten statt, irgendwann jenseits der 23.00 Uhr Grenze. Mit Kultur wäre nicht nur die Übertragung von Konzerten, Theaterstücken und Festpiele gemeint, sondern auch die alten, wirklich guten Filme von Kult-Regisseuren längst vergangener Zeiten, die Filme noch in einem ganz anderen Tempo sowie einer anderen Bild- und Erzähltradition produzierten. Dies würde garantiert die Zielgruppe 50 plus, aber vielleicht auch die jüngeren Cineasten, die genug von 08/15 Netflix-Serien haben, ansprechen.

Linearfernsehen ist noch lange nicht gestorben

Klar ist, dass Linear-TV immer mehr Zuschauer verliert. Denn Streaming boomt – vor allem während Corona. Und auch die Mediatheken, die verschobene Sendezeiten bieten, sind sehr beliebt. Immer mehr Menschen schaffen es nicht mehr, pünktlich zu Nachrichtenbeginn vor dem Fernseher zu sitzen und schauen sich die News lieber später in Ruhe oder von unterwegs aus auf dem Smartphone an. Denn genau das macht Streamen so attraktiv. Trotzdem sind sich die Experten einig: Lineares Fernsehen wird noch viele Jahre eine Rolle spielen. Das Publikum wird aber zunehmend älter. Die jüngere Generation kann besser über das Internet erreicht werden. Aus diesem Grund bieten immer mehr Fernsehsender Ihre Dienste auch zum Streamen an. Denn ohne Streaming wird die Nachfrage nach dem klassischen Fernsehen wohl aussterben.

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