David Rott: laute leute
Ein gutes Leben
David Rott würde vieles gerne machen: Robin Hood spielen, Spanisch lernen, nach Sumatra fahren und mehr mit seiner Tochter in der Natur rumtollen. Daraus wird erst mal nichts. Mit dem rauen Drama „Ganz und gar“ könnte der verdiente Ruhm über den 25-Jährigen hereinbrechen.
Den ganzen Tag schon hat er seinen Film promotet. Dennoch wirkt David Rott wach und frisch, wie er da mit natürlicher Eleganz in weißem Hemd und Jeans durch die Hotelsuite tigert, auf der Suche nach einem Aschenbecher: „Es gibt keine Raucher mehr. Die sind alle erwachsen geworden und vernünftig. (Pause) Ich finde es sehr gut, wenn man nicht raucht. (Pause) Aber ich finde es auch gut, wenn man raucht.“ (Grinsen) Rott setzt sich ungekünstelt lässig auf das hellgraue Sofa, seine starke Präsenz überrascht weniger als seine angenehme Souveränität. Er hört genau zu, antwortet konzentriert und klar auf alle Fragen, oft mit diesem offenen, schönen Lächeln. Der Mann hat Charisma.
Das ist ihm aber nicht so wichtig. Ehrlichkeit, Bodenständigkeit und Selbstkritik hingegen sehr. Er studierte am Max-Reinhardt-Seminar in Wien bei Klaus Maria Brandauer, und das ganze Getue, die Überheblichkeit seiner Zunft, geht ihm gewaltig auf die Nerven. „Schauspiel ist ein Beruf wie jeder andere auch. Es geht nicht darum, ob man schön ist oder Talent hat. Es geht darum, dass man gute Arbeit macht.“ Ob auf der Bühne des Wiener Burgtheaters oder im Deutschen Theater in Berlin, ob als Mädchenschwarm Torge in „Ganz und gar“, dessen Selbstbild zerbricht, als er bei einem Unfall ein Bein verliert – David Rott nähert sich seinen Figuren durch das, was sie verbergen. „Ich versuche, die Leidenschaft und die Angst der Figur aufzuspüren“, erklärt er. „Bei meiner Arbeit geht es darum, diese Dinge zu durchleuchten und zu vergrößern. Jeder Mensch trägt die Fähigkeit, alle Dinge zu erleben, in sich. Wenn ich arbeite, muss ich irgendwann ,ich’ sagen zu dem Menschen, den ich spiele. David Rott, den will ich auf der Bühne oder der Leinwand nicht sehen. Der hat da nichts zu suchen.“
Über sein Leinwanddebüt ist er sehr glücklich – wenn nicht, würde er bestimmt nicht hier sitzen und dafür werben. Dennoch: „Ich glaube, dass beim deutschen Film generell die Tiefe nicht so gewährleistet ist. Beim Theater geht es um die künstlerische Auseinandersetzung, beim Film leider meistens darum, Geld zu machen.“ „Ganz und gar“ hingegen, findet er, hat einen massiven Kern. „Da geht es um was.“ Ihm selbst geht es darum, „ein gutes Leben zu führen, in dem die Dinge die ich liebe, Platz haben.“ Dazu gehört an ungeschlagener erster Stelle seine Tochter Carlotta, heute dreieinhalb. „Als sie geboren wurde, bekam ich das Engagement am Burgtheater. Darüber war ich sehr froh. Ich hätte es doof gefunden, meine Eltern um Geld für einen Schnuller bitten zu müssen.“ Rott grinst schelmisch. Wien hat dem gebürtigen Schleswig-Holsteiner, der mit drei kleinen Schwestern auf dem platten Land aufwuchs, sehr gefallen. „Plötzlich lebte ich in einer großen Stadt voller Geschichte, Tradition und voller Künstler. Aber der Rhythmus war so ruhig wie auf dem Land.“ Das schätzt er an den südlichen Gefilden, ebenso die Feinheit im Umgang und die wilden Blüten des Katholizismus: „Wie kann ich das erklären?“, sucht er nach Worten. „Also, ich hatte viel mehr Sex in Wien als in Deutschland. Wo das Verbot größer ist, ist die Lust, es zu übertreten, ebenfalls größer. Auch der ganze Madonnenkult und das Gedönse – ich bin herzlich unreligiös, aber das hat mir gefallen.“ Berlin dagegen habe er aus der Ferne als rotzig und hektisch empfunden, und erst spät ins Herz geschlossen. „Weil man so am Leben dran ist.“
Gerne würde David Rott weiter für Bühne und Film spielen, besonders im spanischsprachigen Raum, denn „Lucía und der Sex“ oder „Amores Perros“ findet er toll. Dafür würde er auch Spanisch lernen. Und er will mehr von der Welt sehen als das, was er mit Interrail entdeckt hat: „Mexiko und Sumatra, die Ferne“, schwelgt er. Außerdem will er noch einmal den Don Carlos spielen, den er als Zombie mit sich rumträgt, seitdem er ihn aus „Unvermögen oder Dummheit“ einmal verpfuscht hat. Es wird ihm sicher gelingen. Den Aschenbecher hat er schließlich auch gefunden.
Constanze Rheinholz