Denzel Washington
Was muss der Mann glücklich sein: Er hasst nicht, er liebt Jesus, ist glücklich verheiratet und füllt jeden Tag seine spirituelle Tasse. Hat Denzel Washington denn gar keine Ecken und Kanten zum Stoßen? Gehen wir doch mal nachgucken …
_ulysses: Mr. Washington, welcher Ihrer Filme ist Ihr Liebling?
Denzel Washington: Mein Nächster. Ich sage das so, weil es der Prozess eines Filmes ist, der mich interessiert. Natürlich interessiert mich auch das Resultat, der fertige Film. Aber wenn er fertig ist, gehört er den Zuschauern. Es ist dann sowieso so zu spät. (lacht)
_ulysses: Sehr noble Aussage. Man sagt, dass Sie ein bescheidener Mann sind. Sehen Sie sich so?
Washington: Ich versuche eigentlich, mich nicht zu sehen. Ich strebe nach Demut und arbeite daran, nicht selbstsüchtig zu sein, an andere Menschen genauso zu denken wie an mich.
_ulysses: Übt Ihr 20-jähriger Sohn manchmal Kritik an Ihnen?
Washington: Vielleicht, aber er hat noch nie etwas gesagt. Aber er hat schon mit meinen Entscheidungen zu tun. Als mir die Drehbücher angeboten wurden zu „Im Zeichen der Libelle“, den dann Kevin Costner machte, und „Training Day“, gab meinem Sohn beide Skripts zu lesen und sagte: Ließ das, und sag mir, was ich deiner Meinung nach annehmen soll. Er las beide und sagt: Du musst „Training Day“ machen, Daddy. Also habe ich das getan.
_ulysses: Ihr letzter Film „Mann unter Feuer“ war ein hartes Rachedrama. Wo verstauen Sie ihren Hass?
Washington: Ich hasse nicht.
_ulysses: Kommen Sie.
Washington: Nein. Hass erwirbt man sich, man wird nicht damit geboren. Man wird gelehrt, zu hassen, kriegt es irgendwo her.
_ulysses: Dann müssen Sie ein sehr glücklicher Mann sein …
Washington: Na ja, wird sind alle frustriert oder wütend, aber Hass ist ein großes Wort. Hass ist schädlich für den, der hasst.
_ulysses: Das weiß der, der hasst, ja nicht.
Washington: Nun, ich weiß es.
_ulysses: Sie sind sehr religiös …
Washington: Ich verwende lieber das Wort ,spirituell’, denn Menschen greifen zu, sagen wir mal, der Bibel, und gebrauchen sie so, wie sie sie gebrauchen wollen. Das ist für mich Religion. Es gibt so viele religiöse Interpretationen, aber meine Beziehung zu Gott ist meine Beziehung zu Gott. Sie ist still, ein Platz, wo ich eine gewissen Frieden finde. Es ist eine Disziplin, wie eine Tasse: Wenn du morgens rausgehst, musst du im Fahrstuhl und auch sonst überall Ellenbogen zeigen, den ganzen Tag. Am Ende des Tages bist du dann bereit, zu hassen. Das kennen Sie doch bestimmt. (lacht). Mein Tag beginnt mit meiner Spiritualität und einem Gebet, und ich versuche diese Tasse wieder aufzufüllen. Wenn man Muskeln nicht trainiert, werden sie schwach.
_ulysses: Es fällt, auf dass Sie weniger Helden spielen als früher …
Washington: Ich weiß nicht, was ein Held ist. Was soll das sein? Man versucht immer zu kategorisieren: Oh, er ist gut, er ist nur gut. Niemand ist nur gut, niemand ist nur böse. Das ist der Person gegenüber nicht fair.
_ulysses: Wenn man sich aber ihre Rollen so anschaut, liegt ihnen ein bestimmter Charakter zugrunde: stolz, artikuliert, auf bestimmte Art stets gegen Ungerechtigkeit kämpfend. Ist das auch Denzel Washington, der Privatmann?
Washington: Denzel Washington, der Privatmann … Wissen Sie, ich nehme einfach Einfluss auf die Drehbücher der Filme, die ich mache. Das ist mir wichtig. In „Mann unter Feuer“ bringt meine Figur das ultimative Opfer für jemanden, den sie liebt. Ich würde gerne glauben, dass ich so mutig und opferbereit wäre – ich weiß es aber nicht.
_ulysses: Sagt „Der Manchurian-Kandidat“, in dem es um politische Gehirnwäsche geht, etwas über die aktuelle US-Regierung aus?
Washington: Er sagt etwas über die politische Situation in allen Ländern. In ihrem Land. Propaganda, Manipulation und Gehirnwäsche passieren überall. Schalten Sie nur den Fernseher an! Sie sind gut gehirngewachen, sie merke es gar nicht mal. Sie gehen los und essen einen Hamburger und sie wissen gar nicht, warum! Denn den ganzen Tag sehen sie Schilder: Kaufen Sie Hamburger! Sie brauchen einen Hamburger! Sie brauchen eine Cola! Auch um zwei Uhr morgens! Sie brauchen sie! Und irgendwann sagen sie sich: Stimmt, ich brauche ein Cola.
_ulysses: Im Film gibt es einen Kriegshelden, der keiner ist; die Erinnerungen werden ihm nur implantiert. Im US-Wahlkampf starteten Bush-nahe Veteranen eine Kampagne gegen John Kerry, in der sie behaupteten, Kerry sei kein Kriegsheld, alles sei erfunden. Was sagen Sie dazu?
Washington: Einer der Kandidaten hat im Krieg gekämpft, der andere nicht. Basta. Es gibt keine Heldenfrage, denn keiner von uns war vor Ort. Das ist die hässliche Seite der Politik. Die Leute scheren sich nicht um die Wahrheit, sie wollen, dass ihr Mann gewinnt, selbst, wenn sie dazu die Glaubwürdigkeit eines anderen zerstören müssen. Das passiert in beiden Lagern. Das ist ein schmutziges Geschäft.
_ulysses: Wen würden Sie wählen, Kerry oder Bush?
Washington: Wer sagt, dass ich einen von beiden wählen muss?
_ulysses: Sie mögen Politik nicht sehr, oder?
Washington: Ich wähle und ich zahle Steuern.
_ulysses: Können Sie etwas damit anfangen, wenn man Sie ein Sexsymbol nennt?
Washington: Nein. Das ist nur in Interviews ein Thema. Nur dann werde ich so etwas gefragt. Niemand geht sonst auf mich zu und sagt: Oh, ein Sexsymbol! Ich schaue auch nicht in den Spiegel und sage: Sexsymbol, guten Morgen! Ich mache mich nicht über Ihre Frage lustig, aber ich höre das wirklich nur in solchen Situationen.
_ulysses: Afro-amerikanische Schauspieler tauchen selten in der Klatschpresse auf. Warum?
Washington: Wir werden nicht promotet. Wenn man sich die ganzen Jugendmagazine anschaut, findet man keine Überschrift, die fragt: Wer ist der junge schwarze nächste Star? Können Sie einen benennen? Niemand kann das. Wir werden nicht umarmt. Mir macht das nichts aus, ich bin froh, dass man mich aus der Klatschpresse raus hält. Sie bauen dich auf und dann bringen sie dich wieder zu Fall. Lauryn Hill hat das in einem Song treffend formuliert: „They hail you and then they nail you.“ Fragen Sie mal Jesus …
_ulysses: Dann ist Hollywood nicht der richtige Ort für Sie.
Washington: Hollywood ist ein Ort, wo es Fußabdrücke und Sterne auf den Fußwegen gibt und Leute hinfahren, um sie sich anzugucken. Ich bin kein Teil von Hollywood, ich weiß nicht, was das ist. Ich mache nur Filme. Ich bin Schauspieler, keine Berühmtheit. Ich gehe auf keine Premieren oder in schicke Restaurants, und ich hänge auch nicht mit Hollywood-Leuten herum. Ich bin nicht darauf aus, gesehen zu werden. Ich mache meine Arbeit und gehe heim. Mein Name ist Washington – nicht Hilton.
Interview: Volker Sievert