„Der innere Winter“ trifft auf mentales Schneetreiben
Traumatische Erinnerungen, quälende Schuld und eine Schreibblockade: In dem Dreiteiler „Der innere Winter“ auf Arte und in der Arte-Mediathek geht eine Frau durch die winterliche Hölle, und wer zuschaut, begleitet sie bei diesem schrecklichen Gang.
Seit Jahren hat die Schriftstellerin Nathalie (Audrey Fleurot) eine Schreibblockade, doch endlich, nach einer durchzechten Nacht mit ihrem Mann Marc, kommen ihr die Ideen nur so zugeflogen, auch wenn diese – sie werden als Film in in der Miniserie „Der innere Winter“ (ab sofort auf Arte und in der Arte-Mediathek) in Szene gesetzt – durchaus verstörtend daherkommen. Es ist Weihnachten in dem Haus der des Ehepaares und ihrer Tochter Alice (Lily Taieb), Marc steigt ins Auto, um seine Verwandten vom Flughafen abzuholen, die sich angekündigt haben, während Nathalie beginnt, die vom Vorabend sehr in Mitleidenschaft gezogene Küche auf Vordermann zu bringen. Weit kommt sie nicht, denn es passieren seltsame Dinge, während ihr Mann irgendwo im Schneetreiben steckenbleibt und sich nicht mehr meldet. Ist ihm was passiert?
Grundsätzlich ist der Plot des französischen Dreiteilers „Der innere Winter“ nicht schlecht: Ein mit Hilfe von Bargeld organisierter illegaler Kinderkauf in einem rumänischen Waisenhaus bescherte Nathalie und Marc vor 16 Jahren die Tochter, von der sie nie den richtigen Namen erfuhren: Als Alice wurde sie ihnen in den Arm gedrückt. Doch von Anfang an glaubt Nathalie, dass bei der Übergabe nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. „Der innere Winter“ ist als Psychothriller aufgebaut: Nathalie hat Visionen, sie sieht aber auch Schemen vor dem Haus und im Haus, die wirklich da sind. Alice ist mal da, dann wieder weg. Schließlich werden Videos auf ihr Handy geschickt, auf denen sie neben ihrem Mann schlafend im Bett liegt, ein eindeutiges Zitat aus David Lynchs Psychothriller „Lost Highway“. Verloren ist auch Nathalie in ihren von Traumatisierungen geprägten Visionen, doch Regisseur Cyril Mennegun kann das absolut nicht in eine stringente Handlung packen.
In „Der innere Winter“ werden weder Nathalies Trauma noch die Ursache für Alices sprunghaft-zurückweisende Art geklärt. Weder irgendwann zwischendurch noch am Ende des Dreiteilers. Nichts gegen einen Psychoschocker, doch am Ende sollte man trotz vermeintlichem Esoterikeinschlag einen rationalen Rahmen vorfinden. Selbst in Kubricks „The Shining“ (neben David Lynch hat sich Cyril Mennegun auch hier ein bisschen bedient – nicht stringend und deshalb misslungen) geht es gegen Ende, obwohl nichts klar ist, so zu, dass man die ewige Widerkehr des Bösen – obwohl völlig sinnbefreit – akzeptiert, zu stringent-brutal war die Handlung zuvor. In „Der innere Winter“ ist nichts stringent. Die deutsche Synchronisation besteht aus Sätzen von der Stange, die man schon 100-mal gehört hat. Die Dialoge zwischen Mutter und Kind sind so unblaubwürdig, dass einem nichts mehr einfällt. Dass Nathalie nie fotografiert oder filmt, was sie erlebt, und sie deshalb hinterher auch nichts belegen kann, mag einem Alptraum entsprungen oder der Tatsache geschuldet sein, dass sie vieles nur in ihrer Phantasie erlebt, nur: Es wird nie aufgelöst, was real ist und was Fantasie. Weil die Figur Nathalie aber so in der Luft hängt zwischen realem Leben und einem von schlechtem Gewissen geplagten Geist, der sich selbständig macht, mag man mit ihr nicht mehr mitleiden. Und das ist das Allerschlimmste für den Dreiteiler.