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Deutsche Liveklubs fordern neue Rahmenbedingungen

Liveklubs
Das Docks in Hamburg (Foto: M.T.M more than music! Veranstaltungsgesellschaft mbH)

Deutschlands privatwirtschaftliche Liveklubs schlagen Alarm: In einem aufrüttelnden Statement skizzieren sie ihre Problemlage und umreißen Lösungsszenarien in der Coronakrise.

Die privatwirtschaftlichen Klubs und Musikspielstätten in Deutschland trifft es in der Corona-Krise besonders hart: Vielen droht bald die dauerhafte Schließung. Da die Klubkultur durch den Lockdown zum Stillstand gekommen ist, verbuchen die Locations und Einrichtungen keine Einnahmen – sofern sie nicht ausreichend unterstützt werden.

Die derzeitigen von der Politik festgesetzten Rahmenbedingungen ermöglichen ein langfristiges Überleben vieler kleinerer Betriebe, aber auch traditionsreichen Musikspielstätten kaum. Selbst eine Öffnung der Locations, die kleiner als 1000 qm sind, wäre für die Betreiber wirtschaftlich nicht tragfähg. Auch beschränkte Einlasszahlen des Publikums könnten die Kosten nicht aus den Einnahmen der Tickets und Getränke decken, da die Preise nicht dauerhaft erhöht werden können.

Susanne Leonhard, Geschäftsführerin Docks & Prinzenbar Hamburg, fasst zusammen:

„Für einen großen Teil unserer Gesellschaft wäre es fatal, wenn die Bedeutung von Club-, Nacht- und Konzertkultur weiter unterschätzt wird und die entsprechenden Betriebe schließen müssen, weil sie nicht ausreichend unterstützt werden. Clubs sind Orte, an denen (Sub-)Kultur gelebt wird, an denen Menschen zusammenkommen, kreativ und ausgelassen sind. Sie sind sozio-kulturelle Treffpunkte und stellen damit den sozialen Klebstoff für den jüngeren (aber nicht nur!) Teil unserer Gesellschaft dar. Zahlreiche Clubs sind deshalb identitätsprägend für ihre Stadt oder Region. Sie zu verlieren würde bedeuten, jahrzehntelange Aufbauarbeit gering zu schätzen, und zahlreichen Menschen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Form von Kultur zu leben.”

Um die Krise überstehen zu können schließen sich Deutschlands privatwirtschaftliche Liveklubs zusammen und fordern neben weiteren Soforthilfen eine Diskussion zur Änderung der Rahmenbedingungen. Aus einem Presseschreiben der privaten Kulturbetriebe gehen konkrete Punkte hervor, die wir unten aufgeführt haben. jb

Unsere Probleme

 

Absehbare Zahlungsunfähigkeit

Der Liquiditätsbedarf ist durch die lange Zeitspanne des Veranstaltungsverbotes so hoch, dass Banken in vielen Fällen nicht gewillt sind, notwendige Obligos einzugehen, da der Zeitpunkt der Rückkehr zum Geschäftsmodell ungewiss ist. Vor allem mittelgroße Unternehmen (50+ Mitarbeiter) erhalten entweder keine weiteren Kredite oder müssen außergewöhnlich viel Eigenkapital und Sicherheiten stellen.

Überschuldung

Eine bilanzielle Überschuldung ist unter aktuellen Möglichkeiten nicht abwendbar. Die Unternehmen verlieren pro Monat einen durchschnittlichen Jahresertrag. Die Ertragskraft ist nicht ausreichend, um Fremdkapital in gebotener Zeit zurückzuführen. Eigenkapital ist nicht ausreichend vorhanden und die Verschuldungsquote wäre tendenziell zu hoch.

Fixkostenbelastung

Trotz aller verfügbaren Maßnahmen verbleibt eine Sockelbelastung durch Fixkosten, die nicht eingespart werden können. Je länger der Lockdown, desto unlösbarer wird der Liquiditätsbedarf. So können wir über längere Zeiträume Mietzahlungen weder einstellen noch stunden. Zumal meist nicht unerheblich hohe Nebenkosten weiterhin zu zahlen sind. Eine erhöhte Wirtschaftlichkeit nach Wiedereröffnung, die notwendig wäre, um gestundete Beträge, Tilgungen und Zinsen zu bedienen, ist wenig realistisch. Auch während der Schließung sind Kosten für technische Wartungen und Prüfungen (wie aufgrund der Versammlungsstätten- und PrüfVO der Länder turnusgemäß erforderliche, wiederkehrende Prüfungen für technische Einrichtungen, elektrische Anlagen etc.) aufzuwenden, Personal fortzubilden (z.B. Schulungen im Bereich Erste Hilfe und Brandschutz) oder Schädlinge zu bekämpfen.

Unsere Forderungen an die Politik

Wir brauchen schnellstmöglich verlässliche Vorgaben, um zukünftige Risiken besser einschätzen zu können und schließen uns hier den Forderungen einiger Veranstaltungsverbände an:

Umgestaltung der Kreditprogramme

Kreditprogramme müssen so gestaltet sein, dass sie ohne Bedingungen und vollständig abgesichert mit deutlich längeren Laufzeiten und längerer anfänglicher Tilgungsaussetzung möglich sind. Zudem bedarf es an Möglichkeiten für einen späteren Teilerlass der Kredite. Auch die Sofortkredite sind teilweise noch nicht ausreichend ausgestaltet. Private Rücklagen oder Rücklagen die in Unternehmen zur Altersvorsorge gebildet wurden, dürfe nicht verloren gehen.

Sicherung der Liquidität / Vermeidung der Bilanzüberschuldung

Ein mehrjähriger (befristeter) Verlustrücktrag sollte sicherstellen, dass Unternehmen gerettet werden können, die in der Vergangenheit erfolgreich gewirtschaftet und regelmäßig Steuern gezahlt haben.

Fixkostenzuschuss durch einen weiteren Nothilfefond

Betroffene Unternehmen sollen 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes aus dem Jahr 2019 (vorläufiger Jahresabschluss oder BWA 2019) ab dem 4. Monat des Veranstaltungsverbotes monatlich bis zur Wiederaufnahme des Normalbetriebes als Zuschuss erhalten. Dies wäre einfach und unbürokratisch zu überprüfen und entspricht in der Regel der branchenüblichen Höhe der Fixkosten.

Anpassung der Bedingungen für Kurzarbeit

Die Unternehmen sind unverschuldet in diese Krise geraten und nutzen Kurzarbeit, um den Liquiditätsabfluss zu reduzieren. Mitarbeiter müssen trotzdem arbeiten, um wichtige Innovationsprojekte, Umweltprojekte, Prozessoptimierungen und Projekt-Planungsleistungen anstoßen zu können. Damit wird die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen gesichert. Spielstätten und Clubs erzielen ihre Attraktivität durch das Engagement von Künstler*Innen, deren Engagement meist eine Vorlaufzeit von 3 bis 6 Monaten hat. Dieser Aufwand, der nicht durch das Kurzarbeitergeld gedeckt ist, sondern von den Unternehmen selbst gezahlt wird, muss ausgeglichen werden.

Ermäßigter Mehrwertsteuersatz bspw. auf Getränke/Essen bei Konzerten

Wie die Konzerteintritte sollten die Einnahmen durch Getränke als Nebenleistungen und Partyveranstaltungen mit dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7% bedacht werden, um mit den verbleibenden Mehrumsätzen, beispielsweise in Anspruch genommene Kredite tilgen zu können.

Investitionszuschüsse für nachhaltige Investitionen

Ausschluss von Tanzveranstaltungen bei der Vergnügungssteuer

Städte, die Tanzveranstaltungen mit einer Vergnügungssteuer belasten, sollten aus der Verordnung ausgenommen werden.

Wenn nichts passiert, müssten unter anderem folgende Clubs schließen:

Die Unterzeichner

halle02, Heidelberg
Im Wizemann, Stuttgart
Gloria, Köln
Club Bahnhof Ehrenfeld, Köln
Capitol, Mannheim
Kulturclub schon schön, Mainz
Posthalle, Würzburg
Kantine, Augsburg
Harry Klein, München
Hirsch, Nürnberg
Distillery, Leipzig
Löwensaal, Nürnberg
Die Rakete, Nürnberg
Columbiahalle, Berlin
NY.Club, München
Carlswerk Victoria Köln
Docks & Prinzenbar, Hamburg
Pacha, München
Circus Maximus, Koblenz
Pier2, Bremen
Gruenspan, Hamburg
Berghain / Panorama Bar / Säule, Berlin
Batschkapp, FrankfurtFZW, Dortmund
Live Music Hall, Köln
Helios37, Köln
Kulturfabrik, Krefeld
Fusion Club, Heaven & Conny Kramer, Münster
Aladin Music Hall, Bremen
Modernes, Bremen

 

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