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Deutschrap heute – Status Quo der Szene

Deutscher Rap ist eines der wichtigsten Musik-Genres der heutigen Zeit. Über die letzten zwei Jahrzehnte hat sich die Szene stark entwickelt und einen wachsenden Zugang in den kommerziell erfolgreichen Teil der Musikindustrie gefunden.

Foto: © andessa

Was macht deutschen Rap aktuell aus? Was ist im Trend? Wir geben einen Überblick.

Entwicklung der letzten Jahrzehnte

Deutschraps Anfänge liegen in den 90er-Jahren. Gruppen wie die Fantastischen Vier, aber auch das damals schon Richtung Straßenrap agierende Rödelheim Hartreim Projekt machten auf sich aufmerksam und generierten mit der Zeit eine beachtliche Hörerschaft.

Der Song „Die Da ?!“ der Fantastischen Vier schaffte es bereits 1992 auf Platz 1 der Singlecharts, er ist bis heute der einzige Song der Gruppe, der diese Position erklimmen konnte. Das Rödelheim Hartreim Projekt schaffte es nicht auf die 1 der Charts, das 1994 erschienene Album „Direkt aus Rödelheim“ ging jedoch selbst mit einem Einstieg auf Platz 34 später Gold.

Um die Jahrtausendwende herum wurde deutscher Rap härter. Das Klima änderte sich, Spaß-Rap war eher out, die Hauptthemen waren zu dieser Zeit Straßen- und Gangsta-Rap. Aus dieser Epoche ging eine Reihe großer Künstler hervor, die weit über die Grenzen der Szene hinaus bekannt sind. Dazu zählen unter anderem:

  • Sido
  • Bushido
  • Kool Savas

Die beiden Ersteren waren zu Beginn ihrer Karriere Teil des Labels Aggro Berlin, dass den Straßentrend maßgeblich mitprägte. Savas hingegen ist vor allem für seine Vorstöße im Bereich Battle-Rap bekannt geworden.

Um 2010 herum öffnete sich das Genre wieder zunehmend für andere Strömungen. Künstler wie Casper, Cro oder Marteria, die Rap machen, der nur wenig mit der Straße zu tun hat, wurden bekannt und kommerziell erfolgreich.

Durch diese Öffnung haben sich in den letzten Jahren mehrere neue sowie altbekannte Subgenres etabliert, die parallel nebeneinander existieren. Sie alle sprechen eine Hörerschaft an. Wohl auch deswegen konnte deutscher Rap so stark wachsen. Diverse Interpreten der Genres finden sich heute sehr regelmäßig auf den oberen Plätzen der deutschen Charts.

Auto-Tune als gängiges Stilmittel: Weniger Rap, mehr Gesang

Viele jüngere Künstler und Newcomer im Rap-Genre setzen vermehrt auf Gesangseinlagen in ihren Stücken. Diese werden in den allermeisten Fällen von Auto-Tune begleitet, einem Soundeffekt, der die Stimmen verzerrt und ihnen einen ganz charakteristischen, neuen Klang gibt. Neu ist das Tool allerdings nicht: In diversen Genres findet es bereits seit Ende der 90er- Jahre Anwendung.

Foto: © Vladimir

Zu den jüngeren Künstlern, die vermehrt auf Auto-Tune setzen und damit in den letzten Jahren Deutschrap einen neuen Stil gegeben haben, zählen unter anderem:

  • Mero
  • Capital Bra
  • KMN Gang
  • Apache 207

Prägende Charterfolge

Teilweise spielt Auto-Tune nur in den Refrains eine Rolle, teilweise zieht es sich durch den ganzen Song. Bei zweiterer Variante rappen die Künstler nicht mehr wirklich, der Song besteht dann eher aus Gesang. Der Trend kommt ursprünglich aus Amerika: Auch dort setzen viele Rapper zunehmend auf Gesangseinlagen, beispielsweise Post Malone.

Das Konzept ist überaus erfolgreich. Capital Bra beispielsweise war in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Titeln in den deutschen Charts vertreten. Ebenfalls erfolgreich in der Hitliste ist Apache 207, allerdings mit bisher weniger Titeln, da er erst seit 2019 Charteinstiege verzeichnen kann.

Steigende Relevanz von Singles

Betrachtet man die Einstiege genauer, lässt sich festhalten, dass die beiden Künstler zwar auch mit Alben, aber zudem mit einer Vielzahl von Singles erfolgreich sind. Dies ist ein Phänomen, was in früheren Jahren im Deutschrap weniger präsent war. Auch deswegen hat sich der Fokus vieler Rapper darauf verlagert, erfolgreiche Singles zu produzieren, statt, wie früher, ihr Hauptaugenmerk auf in sich schlüssige und prägende Alben zulegen.

Dies liegt zumindest teilweise an der veränderten Vermarktung der Musik: Heute spielt vor allem das Streaming eine Rolle. Auch die Themen haben sich geändert: Wo früher in einigen Tracks tiefgründige Dinge des Lebens behandelt wurden, sind viele kommerziell erfolgreiche Rap-Tracks heute eher „leichte Kost“.

Relevanz des Boom bap

Abseits dieser neueren Entwicklungen gibt es jedoch auch Künstler, die auf altbewährte Sub-Genres setzen. Einer diese Stile ist Boom bap. Er hatte in den 90er-Jahren seine Hochphase und erlebte im letzten Jahrzehnt eine Art Renaissance.

Künstler, die diese Art der Musik heutzutage (teilweise in modernisierter Form und mit anderen Themen als ursprünglich) machen oder bis vor Kurzem machten, sind unter anderem:

  • SSIO
  • Xatar
  • Hiob & Morlockk Dilemma

SSIO war jahrelang dafür gekannt, auf Boom-bap-Beats zu rappen und mit einer sehr individuellen und humorvollen Art seine Fans zu entertainen. Auf seinem letzten Album „Messios“ setzt er, wie sich schon an den Singles wie beispielsweise „HASH HASH“ zeigt, eher auf modernere Beats, die aber dennoch Oldschool-Elemente beinhalten.

Xatar wiederum, bei dessen Label „Alles oder Nix Records“ unter anderem SSIO unter Vertrag steht, setzt ebenfalls auf ein Boom-bap-Klangbild. Auch er verknüpft es mit Humor, allerdings spielt Straßen-Credibilität für den Künstler eine größere Rolle. Dies zeigt sich daran, dass er unter anderem durch einen spektakulären Goldraub sowie einen darauffolgenden mehrjährigen Gefängnisaufenthalt große Bekanntheit erlangte.

Hiob und Morlockk Dilemma wiederum sind eher szeneintern bekannt und konnten bisher keine großen kommerziellen Erfolge feiern: Vermutlich ist dies auch nicht ihr Ziel. Mit eher tiefgründigen Themen auf klassischen Boom-bap-Beats haben sie jedoch eine Fangemeinde gefunden, die Feuer und Flamme für ihre Musik ist. Auch weitere Künstler wie beispielsweise Olexesh setzten und setzen auch teilweise heute noch auf einen Boom-bap-Sound.

Nach wie vor gefragt: Straßen-Rap

Ein weiteres Genre, dessen Künstler nach wie vor häufig große Erfolge und hohe Charteinstiege (vor allem mit Alben) feiern können, ist der Straßen-Rap. Die Stilrichtung, die sich in den 2000er-Jahren etablierte, ist auch in der heutigen Deutschrap-Welt präsent.

Seit Jahrzehnten präsente Künstler

Viele Künstler aus dieser Ära haben nach wie vor sehr aktive und erfolgreiche Karrieren. Einige Acts haben ihren Stil jedoch verändert: So rappt beispielsweise Sido heute über anderen Themen wie beispielsweise seinen Karrierealltag im Song „Wie Papa“.

Foto: Melinda Nagy

Bushido hingegen ist, mit einigen Abzweigungen in den Jahren 2010 bis 2012, seinem harten Image eher treu geblieben. Der Rapper ist nach wie vor in aller Munde. Aktuell steht er aufgrund seines Prozesses gegen den Clanchef Arafat About Chaker regelmäßig in den Schlagzeilen.

Weitere Straßenrap-Acts wie Farid Bang und Azad sind ebenfalls aktiv und erreichen mit ihren aktuellen Alben hohe Chartplatzierungen. Einige dieser Künstler, beispielsweise Farid Bang, kombinieren ihren Stil zunehmend mit Auto-Tune-Parts, gehen also diesbezüglich mit dem Trend.

Neuere Straßen-Rap-Acts

Aber auch neuere Künstler haben sich in dieser Musiksparte im Mainstream in den letzten Jahren etabliert. Dazu gehören unter anderem:

  • 187 Straßenbande
  • 18 Karat
  • AK Außerkontrolle

An den Heimatstädten der Rapper lässt sich ablesen, wie sehr Straßen-Rap sich diversifiziert und etabliert hat: AK Außerkontrolle kommt aus Berlin, 18 Karat aus Dortmund und die 187 Straßenbande aus Hamburg.

18 Karat und AK Außerkontrolle glänzen stilistisch vor allem durch harte und kompromisslos Beats sowie jeweils vergleichsweise hohe und laute Stimmen. Beide Künstler bringen ihre Inhalte auf eine außerordentlich aggressive und daher für Straßen-Rap realistische Art und Weise des Rappens an den Hörer.

Die 187 Straßenbande wiederum hat einerseits harte Straßeninhalte. Andererseits ist der Rapper Bonez MC auch für größere Hits bekannt, beispielsweise „Ohne mein Team“, gemeinsam mit RAF Camora und Maxwell (zweiterer ist ebenfalls Mitglied der Rap-Gruppe).

Fazit

Deutschrap hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten stark entwickelt und ist heute so diversifiziert wie nie. Mehrere Sub-Genres existieren erfolgreich nebeneinander und finden jeweils eine große Hörerschaft. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend sich fortsetzen wird und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weitere Sparten hinzukommen werden.

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