Die besten Krimis 2023: Empfehlungen für den August
Mit Hochspannung gegen den kalten, verregneten Sommer: Die besten Krimis im August 2023 mit Denise Mina, Val McDermid und Yves Ravey.
In „Fester Glaube“ von Denise Mina geht es um die atemlose Jagd nach einer wertvollen Reliquie, die Spur führt nach Rom … Schreibt die Noir-Autorin jetzt etwa Sakralthriller? Und wie weit kommt sie damit auf unserer Liste der besten Krimis im August 2023? Dort bekommt sie es mit Tove Alsterdal zu tun, die nach „Sturmrot“ und „Erdschwarz“ nun mit „Nebelblau“ ihre Bestseller-Reise abschließt. Und auch Yasmin Angoe will hoch hinaus auf unserer Liste der besten Krimis im August 2023: Mit „Echo der Gewalt“ startet sie eine Trilogie, in der es um eine Profikillerin geht, die gnadenlos die Feinde eines afrikanischen Syndikats liquidiert. Val McDermid setzt mit „1989 – Wahrheit oder Tod“ ihre Serie fort, und auch Yves Ravey kandidiert mit „Taormina“ um den Spitzenplatz auf unserer Liste der besten Krimis im August 2023. Vielleicht machen aber auch zwei Klassiker in Neuauflage das Rennen: Auch „Die Nacht der kranken Hunde“ von A.D.G. (Alain Fournier) und „Zu hoch gepokert“ von Ross Thomas stehen auf der Liste der besten Krimis im August 2023.
Die besten Krimis im August 2023
7. Ross Thomas: Zu hoch gepokert
„Ah, Inspektor Deskins. Was treibt Sie in so einer scheußlichen Nacht aus dem Haus?“ „Ich bin nicht Inspektor und es ist eine schöne Nacht.“ Philip St. Ives liebt es, seine Gesprächspartner zu verwirren. So auch William Deskins vom Betrugsdezernat, der wie ein Cop aussieht. Der professionelle Mittelmann St. Ives soll diesmal ein entwendetes antikes Schwert wiederbeschaffen und gerät bei der geplanten Geldübergabe wie immer in ein intrigantes Spiel, dem er sich mit Cleverness zu erwehren weiß. Elegant erzählte Kriminalliteratur auf allerhöchstem Niveau!
Alexander Verlag, 2023, 252 S., 16,90 Euro
Aus d. Engl. v. Gisbert Haefs
6. A.D.G. (Alan Fournier): Die Nacht der kranken Hunde
A.D.G. (für: Alain Dreux Galloux, Pseudonym von Alain Fournier, 1947-2004) steht gemeinsam mit Jean-Patrick Manchette für den Néopolar, der sich am amerikanischen Hardboiled-Stil orientiert. A.D.G. legt mit diesem Roman die Grundlage für den französischen Country-Noir, der heute aktueller denn je ist: Bärbeißige Provinzler treffen auf rebellische Stadtjugend, Fremde bringen eine Dorfgemeinschaft durcheinander. In der behutsam angepassten Übersetzung von 1973 bleibt der raue Ton erhalten. Aus der Sicht des Schreiners erzählt, geht es dabei bis zum blutigen Showdown im Regen sehr rustikal zur Sache.
Elsinor, 2023, 180 S., 19 Euro
Aus d. Franz. v. Kurt Müller, mit einem Nachwort v. Krimi-Experte Martin Compart
5. Tove Alsterdal: Nebelblau
Eigentlich hat die 35-jährige Polizistin Eira Sjödin schon genug um die Ohren, als sich auch noch um einen Cold Case zu kümmern. Zumal der komplizierterer ist, als er zunächst scheint: Im Ångerman-Fluss in Nordschweden finden Hobbytaucher den Schädel eines jungen Mannes. Die Untersuchungen ergeben, dass er offensichtlich in den 1960er-Jahren hingerichtet worden ist. Eira kommt einer Verbindung zu einem fernen Krieg auf die Spur, die alte Wunden aufreißt und politisch brisant ist. Tove Alsterdahl führt ihre ungewöhnliche Krimitrilogie zu einem schlüssigen Ende, das keine abgedrehten Serienmörder braucht, um zu überzeugen. Es genügen die zutiefst menschlichen Unzulänglichkeiten, die uns Ermittlerin Eira und die Kleinstadtbewohner von Ådalen vor Augen führen.
Rowohlt, 2023, 400 S., 17 Euro
Aus d. Schwed. v. Hanna Granz
4. Val McDermid: 1989 – Wahrheit oder Tod
Früher war alles besser – aber auch nur, wenn man sich von verklärten Erinnerungen täuschen lässt. Val McDermid trotzt auch im zweiten Band ihrer Krimireihe der Geschichtsverklärung. Nach „1979 – Jägerin und Gejagte“ springt sie mit der Journalistin Allie Burns weiter ins Manchester des Jahres 1989. Das Wunderjahr des Mauerfalls ist dort alles andere als wunderbar: Maggie Thatcher ist weiterhin Premierministerin, das noch tödliche HIV-Virus verängstigt und stigmatisiert die Subkultur, wodurch gleichgeschlechtliche Partnerschaften noch argwöhnischer beäugt werden. Die unerschrockene Allie steht trotz allem weiter zu ihrer geliebten Rona und lässt sich von ihrem neuen Chef nicht in die Klatschspalte drängen. Zeitungsmogul Ace Lockhart stuft ihr Investigativressort als Geldverschwendung ein und degradiert Allie zur News-Tippse. Kurzerhand nimmt sie Urlaub, um bei einem großen Pharmaunternehmen nachzuforschen, das anscheinend DDR-Bürger als Testpersonen für Aids-Medikamente missbraucht. Durch einen waghalsigen Alleingang landet sie in Ost-Berlin, wo sie als Spionin festgehalten wird …
Knaur, 2023, 464 S., 14,99 Euro
Aus d. Engl. v. Dr. Kirsten Reimers
TOP 3
3. Denise Mina: Fester Glaube
Bricht man in die Häuser anderer Leute ein, lassen sich die merkwürdigsten Dinge entdecken. Die YouTuberin Lisa Lee dokumentiert mit Filmen ihre Entdeckungen beim Urban Exploring. In einem verlassenen französischen Chateau findet sie eine uralte Silberschatulle, die laut einer Inschrift einst Pontius Pilatus gehört hat und den Beweis der Auferstehung des Königs der Juden enthalten soll. Am nächsten Tag verschwindet Lisa spurlos, ihr Film kann nicht mehr aufgerufen werden, und die Reliquie ist für eine Auktion in Paris gelistet. Die beiden True-Crime-Podcaster Anna McDonald und Fin Cohen glauben an eine Entführung und beginnen mit der Suche nach ihr, die sie mit ihrem Podcast begleiten. Sie ahnen nicht, dass damit eine gefährliche Jagd quer durch Europa ihren Anfang nimmt … Die schottische Autorin Denise Mina schert sich längst nicht mehr um Genre-Zuweisungen oder Erzählkonventionen. Ihr wunderbarer neuer Roman ist kein düsterer Tartan Noir, sondern eine ungewöhnlich realistisch anmutende Abenteuergeschichte. Bei „Fester Glaube“ bedient sie sich genüsslich bei Plot-Zutaten, aus denen sonst ein Dan Brown immer wieder die gleiche Suppe kocht. Mit eleganten Kniffen und klugem Witz wirft sie jedoch das Sakralthriller-Genre verwegen in den Mixer.
Ariadne, 2023, 320 S., 24 Euro
Aus d. Engl. v. Karen Gerwig
2. Yves Ravey: Taormina
Ein Pärchenurlaub auf Sizilien ist die Hölle – oder hat zumindest Potenzial dazu. Das mag sich Yves Ravey gedacht haben, als er seinen bösen kleinen Roman Noir ersonnen hat. So lässt er das französische Ehepaar Melvil und Luisa gleich beim ersten Zwischenstopp auf der schaurig-schönen Insel die Unwägbarkeiten der Infrastruktur erfahren: Nicht jedes Straßenschild führt zu einer Straße – sie landen auf einer Baustelle. Statt des erhofften Blick aufs Meer sehen sie ein Geflüchteten-Lager. Na, toll! Dabei will Melvil doch die ohnehin angespannte Beziehung zu seiner wohlhabenden Frau durch schöne Momente beleben. Ihre Ehe hat durch beidseitige Seitensprünge und seine Arbeitslosigkeit einige Sollbruchstellen bekommen. Bei der Weiterfahrt trübt Regen die Sicht, und der Mietwagen knallt gegen irgendetwas. Oder irgendjemanden? Melvil fährt einfach weiter: Wer nicht nachschaut, weiß von nichts und verdirbt sich nicht gleich zu Beginn die Urlaubsstimmung.
Natürlich lässt Yves Ravey das Paar nach dieser Fehlentscheidung nicht vom Haken: Am nächsten Tag melden die Zeitungen ein überfahrenes Flüchtlingskind. Doch auf Sizilien werden sich ja wohl verdächtige Unfallspuren diskret beseitigen lassen. Die zwielichtigen Typen von der Autowerkstatt halten die Hände und wollen für ihre Arbeitsmoral geschmiert werden. Ein paar Scheine mehr, damit sie sich gegenüber den neugierigen Carabinieri maulfaul geben. Melvils Nerven und Luisas Kreditkarte werden einem ungewollten Stresstest unterzogen. Vor dem morbiden Charme antiker und moderner Bauruinen erkennen die beiden schließlich, dass auch sie zu Flüchtlingen geworden sind und es für sie schwer werden wird, die Mittelmeerinsel wieder zu verlassen …
Liebeskind, 2023, 112 S., 20 Euro
Aus d. Franz. v. Holger Fock u. Sabine Müller
1. Yasmin Angoe: Echo der Gewalt
Hohe Risikobereitschaft, gute Körperbeherrschung, außergewöhnliche Fähigkeiten, sowie umfassende Technikkenntnisse, extreme Belastbarkeit und Resilienz – die psychischen und physischen Anforderungen für den Beruf des Profikillers sind enorm. So schauen wir ihnen fasziniert bei der Arbeit zu und lieben dieses Genre. Auch in Yasmin Angoes neuem Thriller fiebert man von den ersten Seiten mit, wenn Nena Knight, Codename Echo, im Auftrag der afrikanische Organisation The Tribe kaltblütig und effektiv ihre Gegner liquidiert. Eine ihrer nächsten Zielpersonen ist jedoch untypisch: ein Bundesanwalt, der als Vertrauensbeweis für ein neues Mitglied der Organisation erledigt werden soll. Nena ist angehalten, sich weder Gedanken um die politischen Hintergründe der ausgewählten Opfer machen, noch die manchmal bizarren Situationen zu stören, in die sie an den Tatorten gerät. Nicht ohne Grund: Nena hat ihre Ausbildung und ihr neues Leben ihrer Adoptivfamilie in Miami zu verdanken. Davor führte sie ein völlig anderes Leben als Aninyeh Ama Asym in einem Dorf in Ghana, an das sie sich möglichst nicht mehr erinnern sollte …
Was Yasmin Angoe da in eingeschobenen Rückblenden von Aninyeh in der Ich-Perspektive berichten lässt, ist kaum zu ertragen: Das Dorf wird von Männern überfallen und abgefackelt, nachdem sie die männlichen Einwohner zuvor mit Macheten brutal niedergemetzelt haben. Aninyeh erleidet wie viele Frauen eine Gruppenvergewaltigung und wird in die Sklaverei verkauft, bei der sie unfassbare Qualen erdulden muss. Nehmen wir Nenas Morde als Killerin auf einer überzeichneten und abstrakten Ebene noch als fiktional wahr, sind die furchtbaren Peinigungen, die sie als Aninyeh erleidet, real und glaubwürdig dargestellt. Ein unglaublich starker Start einer Trilogie, die sich gerade durch diese zweite Ebene von vielen anderen Thrillern abhebt.
Suhrkamp, 2023, 422 S., 18 Euro
Aus d. Engl. v. Karin Diemerling
Riskieren sie auch einen Blick auf unsere Liste der besten Krimis im Juli 2023